Der Standard ist eine beliebte Tageszeitung in Österreich. Man liest entweder den Standard oder die Presse, je nachdem ob man sich eher dem liberal-intellektuellen oder dem konservativ-intellektuellen Kreise zurechnet.

Neulich warf sich mir die Frage auf, inwiefern „Der Standard“ tatsächlich ein Standard für zum Beispiel den eigenen Wortschatz ist. Leser im Lager von Dichand (Krone) werden sich darüber wohl hierzulande nur selten Sorgen zu machen brauchen.

Anlass für meine Selbstzweifel (und alle Ausreden, die ich in der Folge zur Übertünchung meines Unwissens noch auffahren werde), waren zwei Artikel mit je mindestens (!) einem Wort, dessen Bedeutung mir völlig unbekannt war.

Ob mein Wortschatz also dem Standard entspricht? Scheinbar nicht!

Ich kenne die Ära und die Ära der Tanten scheint angebrochen, wenn von „ärarisch“ und Fisimatenten die Rede ist. Doch dann stellte sich heraus, dass „Fisimatenten“ als umgangssprachliches Wort im Duden geführt wird. Nicht meine Umgangssprache offensichtlich. Nur mit der Assoziation der Tanten lag ich nicht ganz falsch, denn eine der beiden amüsanten Herleitungstheorien für dieses Wort, das  für „Ausflüchte“ bzw. „behindernde Umstände“ steht, lautet: Es leite sich ab von der Ausrede französischer Soldaten im deutsch-französischen Krieg 1870/71, die mit den Worten „Je visite ma tante“ Ausgang bekommen wollten, oder aber von der zweideutigen Einladung „Visitez ma tente!“ von französische Soldaten an hübsche deutsche Mädchen.

Dass Synonyme für Fisimatenten Sperenzchen oder Brimborium sind, half mir nicht unbedingt weiter. Wobei die Sperenzchen von sperentia, Hoffnung, oder auch sich sperren stammt, während das Brimborium ebenfalls aus dem Französischen abgeleitet wird: la bribe, ein Gesprächsfetzen, ein Bruchstück. Das Brimborium ist ein überflüssiges Drumherum, etwas Hinderliches, das Eigentliche Verstellende.

Und ärarisch bedeutet übrigens – falls ihr es nicht sowieso wusstet – staatlich, öffentlich und kommt von veralteter österreichischer Amtssprache. Das Wort Ärar für Fiskus (dem Staat als Eigentümer des Staatsvermögens, lateinisch fiscus, der geflochtene Korb als Geldkasse verwendet) und lateinisch aerarium, die Staatskasse bilden den Hintergrund dieses – trotzdem nach Adler klingenden – Eigenschaftswortes. Wobei mich das Aar wieder eher an Aas und Geier erinnert als an die Könige der Lüfte.

Ach und dann bin ich natürlich noch über die Primogenitur gestolpert, das Vorrecht des Erstgeborenen (primus = der Erste, genitus = geboren), welches mir als Zweitgeborener sowieso nie zuteil wurde.

Ja, lesen bildet und Bilder lesen können ist überhaupt eine Kunst für sich. Aber davon ein andermal mehr.