Reisende soll man nicht aufhalten. Doch das ist gar nicht immer so einfach. Und vielleicht sogar von einigen Seiten nicht gewünscht. Wenn Kinder erwachsen werden, ist es nur natürlich, dass sie das elterliche Nest verlassen wollen. Gewöhnlich stehen die Verwandten und Bekannten diesen Ambitionen nicht im Weg. Man wünscht den jungen Menschen alles Gute und hofft, dass ihre Zukunft eine erfolgreiche und gesunde sein wird, und dass man in Kontakt bleibt.

Wenn sich tausende Menschen auf den Weg machen, um in einem anderen Land eine neue Heimat zu finden, so gibt es viele Gemüter, die solch einen Zug aufhalten wollen (oder aber recht rasch durch das eigene Land durchschleusen), denn es kommen nicht immer nur unbegründete Ängste auf, wenn sich fremde Kulturen unter die eigene zu mischen versuchen oder – noch gefürchteter – eben nicht vermischen wollen, sondern streng unter sich bleiben, nur eben in einem anderen Land. Mauern sollen gebaut werden, Soldaten Grenzen notfalls auch mit Gewehren schützen. Von in Frieden ziehen lassen ist da nur am linken Rande etwas zu bemerken.

„Jeder soll nach seiner eigenen Fasson selig werden“

wird manchmal als Imperativ für allumfassende Toleranz gesehen. Natürlich wäre vieles leichter, wenn man andere einfach immer nur gewähren lassen würde, aber das eigene Glück wird auch beschränkt durch die Rechte und Freiheiten der Mitmenschen.

Apropos gewähren lassen: Wem ist schon einmal aufgefallen, dass das Wort genauso wie zum Beispiel in „mit Gewehren ausgerüstet“ klingt? Mir erst heute. „Jemanden etwas Gewünschtes zugestehen“ – so lautet ein Synonym. Der Duden belehrt uns, dass gewähren von wahr, mittelhochdeutsch „wär“, im Sinne von Gunst erweisen, vertrauenswert sein, kommt.

Was gewährt wird, muss wahr sein? Was wahr ist, gewährt werden? Wer wahr und vertrauenswürdig ist, den soll man unbedingt gewähren lassen?

Gewehr leitet sich vom mittelhochdeutschen giwer, also Abwehr ab. Wehr, die Befestigung, die Abwehr ermöglicht. Mit Gewehren ist nicht zu spaßen, sie sind einzig und allein dafür gemacht, sich zur Wehr zu setzen. In meinen Ohren klingt sofort ein „wenn das Gewünschte nicht gewährt wird“ mit. Ja, Kriege beginnen im Kopf.

Nun, da diese Gedanken gedacht und diese Zeilen geschrieben sind, bin ich eigentlich heilfroh darüber, dass ich mich nur immer wieder an der Nase nehmen muss, wenn es darum geht, jemanden in Frieden ziehen zu lassen.

Das Kochen von veganen Knödeln erfordert eben Feingefühl und einiges an Eingriffen, damit das Wasser nicht zu wallend, aber auch nicht völlig still wird. Einfach nur ziehen lassen – eine hohe Kunst, aber zum Glück beschränkt sie sich bei mir gerade nur auf die Semmelknödeln im Topf in meiner Küche.