Endlich ist unsere Große so groß, dass sie Hörbücher hören möchte. Abwechslung zu den Kinderliedern ist mir sehr willkommen. Ich habe als Kind meine Märchen- und Geschichtenkassetten geliebt und war daher guter Dinge als wir die erste CD in der Bücherei aussuchten. „Das kleine Känguru“ war auch wirklich ein Glücksgriff. Aber seither ging es bergab. An Benjamin Blümchen gefiel mir der Humor von Karla Kolumna noch am besten, doch auf der 2. CD passierte das scheinbar Unvermeidliche, das eigentlich ganz wunderbar vermeidbar und vor allem völlig unnötig ist. Genauso wie bei den „Kindergartengeschichten, die Mut machen“ und einer modernisierten, angeblich gewaltreduzierten Fassung von Grimms Märchen:

Die Wörter „Blödmann“, „blöd“, „doof“ und „Trottel“ wurden eingeführt!

Alle Teenagereltern dürfen jetzt laut lachen, aber ich war entsetzt. Wirklich. Und ich bin es noch immer. Denn – und das dürfte dem Alter der Tochter geschuldet sein – sie kannte diese Worte bis dahin nicht, aber punktgenau hörte sie das heraus und fing auch sofort an, diese Worte zu verwenden. Überall, gegenüber allem und jedem. Und natürlich wiederholt sie sie so häufig, dass auch die Kleine schon im Chor mitkräht: „Doofer Blödmann!

Mit meinen Erziehungsversuchen bin ich hier bislang kläglich gescheitert. Völliges Ignorieren ist für mich keine Option, wenn die Worte bewusst als Provokation gegenüber anderen ausprobiert werden und zu erklären, dass sie diese Worte nicht verwenden soll ist so hilfreich wie meine tägliche Aufforderung an die Katze, ihre Nase nicht genau dann IN den Futternapf zu stecken, WÄHREND ich Futter hineingebe.

Warum werden heutzutage in allen Geschichten Mini-Episoden eingebaut, in denen Leute als doof, blöd oder als Trottel bezeichnet werden? Früher ging das ganz wunderbar auch ohne das Vermeidliche. (Und jetzt komme mir bitte keiner mit Goethe!) Der Mathelehrer ist blöd, die Diener des Königs sind Trottel und ein Bub im Kindergarten, der einen anrempelt ist doof. Unnötig, unnötig und unnötig für die Geschichte. Unnötig, unnötig und unnötig als Vokabular, das man Kindern unbedingt auf die Nase binden und vorreden muss. Ich glaube, ich grabe meine alten, brutalen Kindermärchen wieder aus. Die waren wenigstens sprachlich in Ordnung.

*grmpf*

Und dann erfinde ich den Zensurknopf für das Autoradio und schreibe den Autoren der Kindergeschichten einen Brief:

Sehr geehrter Blödmann!

Wie doof muss man eigentlich sein, um andere als Trottel zu bezeichnen, die gar keine sind?“

So oder so ähnlich wird das dann klingen. Ich kann nichts für die Wortwahl, so spricht man heutzutage wohl miteinander und meint es dabei gar nicht schlimm.


In dem Wörterbuch von 1949 findet sich übrigens das Wort „doof“ noch gar nicht, das vom niederdeutschen taub kommt. Mittlerweile ist sogar schon Doofmann als Synonym für Dummkopf im Duden eingetragen.