… aber sie haben viele Sorgen, realer bis hin zu etwas übertriebener Natur. Doch der heutige Beitrag soll sich nicht um Existentielles drehen, sondern um die „kleinen“ Ängste im Alltag, besonders jene, die den Nichtschlafenden gerne plagen.
Am hellichten Tage
lesen wir gerne Bilderbücher. Meine Tochter lernte erst kürzlich den Satz „Piraten kennen keine Angst“ kennen. Harr, harr! Er stammt aus einem Leo Lausemaus-Buch. Darin findet sich auch der Ausspruch: „Unsere Mütter sind die Angsthasen„.Grrrr!
Ich habe immer schon gewußt, dass die Lausemaus mit Vorsicht zu genießen ist. Erstens ist sie keine Lesemaus, wie ich fälschlicher Weise lange Zeit dachte (vermutlich aufgrund einer noch nicht diagnostizierten Form von pädagogischer Wunschvorstellungs-Legasthenie). Und zweitens mag ich den plumpen Ansatz des „erst macht es der Protagonist ganz falsch vor, nur um es sodann, wie durch Zauberhand geläutert, doch noch vollkommen richtig zu machen„.
Diese Saulus-Paulus-Methode springt einem schon beim beim Durchblättern der Lausemaus Bücher entgegen. Warum ich das nicht mag, ist auch einfach erklärt: Was ist es denn, was meine Tochter aus solchen Büchern mitnimmt? Genau! Vor allem den So-machst-du-es-falsch-Teil, der bei ihr zum So-sollst-du-es-machen-weil-das-viel-lustiger-ist-Teil wird.
Das Piratenbuch haben wir aber doch ausgeliehen, weil es halt um Piraten geht und die bei uns schon seit dem Sommer ein Lieblingsthema sind. Schatzkisten und Schatzkarten haben eine große Anziehungskraft, nicht nur auf Piraten.
Mütter wären also Angsthasen.
Das kann ich so gar nicht stehen lassen. Da gefällt mir mein Titel „Mütter kennen keine Angst“ viel besser. Als Kind war ich ja tatsächlich lange Zeit der Meinung, Erwachsene wüssten auf alle Probleme eine Lösung und – was noch viel wichtiger war – wenn ich Angst hatte, waren die Erwachsenen die Beschützer und Tröster. In der Gegenwart meiner Mutter fühlte ich mich geborgen und sicher. Ein Gefühl, ein Urvertrauen, an das lange kein anderes Gefühl auch nur annähernd herankommt.
Gleichzeitig schwingt in dem Satz „Mütter kennen keine Angst“ aber auch vieles mit, was den Supermüttern einfach angedichtet wird. Als Mutter hat man immer alles unter Kontrolle zu haben. Zweifel und Ängste sind fein säuberlich wegzuräumen, am besten in gut versperrte Schubladen, ganz tief unten, damit es immer schön ordentlich aussieht an der Oberfläche.
Zwischen Tag und Nacht
schwingt diese Ambivalenz mit. Eltern als Beschützer in allen Lebenslagen vs. Eltern als sehr verletztliche, unsichere Wesen, die selbst Angst haben und manchmal nicht weiter wissen. In meinem Lieblingscomic gibt es dazu eine ganz wunderbare Geschichte: Bei Calvin zu Hause wurde während des Urlaubs eingebrochen. Die Eltern und er kommen in ein verwüstetes Haus zurück. Zunächst scheint es so, als wäre auch Hobbes verschwunden und Calvin braucht den Trost seiner Mutter. Der Stofftiger taucht zum Glück bald wieder auf, aber die Eltern sind bis ins Mark erschüttert von dem Ereignis:

In dunkler Nacht
hat unsere dreijährige E mittlerweile auch manchmal Albträume¹ bzw. kann sie diese jetzt schon sehr präzise erzählen.
Neulich stand sie mitten in der Nacht plötzlich vor meinem Bett (und erschreckte mich damit fast zu Tode). Sie meinte, sie könne nicht schlafen. Ich ging mit ihr zurück in ihr Zimmer. Auf dem Weg dorthin erzählte sie mir – ganz leise, um nicht die schlafende kleine Schwester zu wecken – dass sie schlecht geträumt hatte und erklärte mir im Flüsterton, dass sie einen großen Schatten im Zimmer gesehen hätte.
Schluck!
Nun war es nicht ganz so spooky wie diese berühmte Szene aus dem Bruce Willis Film „The Sixth Sense“, die den Kinogehern um die Jahrtausendwende noch kalte Schauer über den Rücken jagte:
aber nachts, wenn es finster ist und ich sehr müde bin, erscheint mir die Welt manchmal noch viel gefährlicher als sie es ohnedies schon tagsüber bei Licht betrachtet ist.
Ich ging also in E’s Zimmer, sah mich gründlich um und versicherte meiner Tochter, dass alles in Ordnung wäre. Sie hätte vermutlich nur den Schatten ihres Teddybären gesehen und der wäre ja dazu da, um auf sie aufzupassen. Nachdem sie wieder eingeschlafen war, ging ich im Dunkeln zurück in mein Zimmer …
… und lag fast bis zum Morgengrauen wach – aus Angst vor großen Schatten, die irgendwo durch unser Haus schleichen.
¹ Ich glaube, dass bei ganz kleinen Kindern die Albträume zumindest anderer Natur sind: Angst, weil die Mama nicht da, Angst, weil sie im Traum wieder erleben, wie sie hinfallen, mit anderen um ein Spielzeug streiten, was weiß ich. Aber angstmachende Fantasien, scheint mir, fangen erst ab einem gewissen Alter und Sprachniveau an.
Das hast du super geschrieben, denn genau so ist es. „Mütter kennen keine Angst“ – der Titel spricht für sich. Und die Lesemaus-Einschätzung teile ich im Übrigen, auch wenn wir schon ein Weilchen da raus sind. Ich kann mich aber noch gut daran erinnern, dass es mir beim Lesen/Vorlesen genauso gedanklich ging, wie dir. Gott sei Dank gibts noch mehr gute Kinderliteratur. LG Ela☕
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Huch … Ich hatte mir für den Kommentar irgendeine schnippische Bemerkung relativ zu Beginn bereit gelegt … Und dann… Mussteich gerade eben erst einmal gucken, ob nicht irgendwo Gespenster lauern … Chapeau Frau Mama, nicht nur für Calvin und Hobbes. 🙂
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Auf die schnippische Bemerkung wäre ich aber auch neugierig gewesen 😉
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Mal wieder herrlich geschrieben. Danke! Meine Beiträge aus der Nacht sind oft auch von dieser besonderen Atmosphäre geprägt. Aber ich mag die Nacht, auch wenn sie bei mir öfter zu kurz ist. Sie verschafft mir oft Klarheit. Ein schlafloser Gruß 😉
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Tagsüber freue ich mich auch oft auf die Nacht und die Ruhe, aber wenn sie dann da ist, ist es mit Schlaf oft nicht weit her: entweder will ich noch die Zeit für mich und meine Hobbies nützen oder aber die lieben Kinderlein wecken mich immer dann, wenn ich gerade einschlafen könnte (Kinder sind gerade krank) …*seufz* aber diese Phase wird auch vorbei gehen
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Ja, hoffentlich!
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