Eigentlich hätte es heute eine sternenklare Nacht mit Vollmond sein sollen. Nieselregen konnte er gar nicht ausstehen, aber er würde ihn auch nicht davon abhalten, zum Stoppelfeld zu laufen, um um Mitternacht ganz oben auf dem alten Grabhügel zu warten.

Etwas nervös wusch er sich Gesicht, Rücken und Bauch. Dann machte er sich auf den Weg. Er wusste, dass er nicht der einzige war. Von überall her waren sie jetzt unterwegs, um die Ankunft des Einen zu erwarten. So war es ihnen überliefert worden. So hatte er es von der weisen Eule gehört. So hatten sie es alle von den Botschaftern des Einen, den Eulen erfahren.

Auf weichen Samtpfoten lief er durch das nasse Gras und versuchte verzweifelt das unangenehme Gefühl, immer nässer zu werden, zu verdrängen. Er stellte sich vor, wie von allen Seiten nun Katzen und Kater herbeiströmten. Ein erhebendes Gefühl überkam ihn. Es würde ein unvergessliches Erlebnis werden. Eine riesige Katzenversammlung. Die ganze Welt würde davon erfahren.

Endlich würden sie die Herrschaft über die minderwertigen Lebewesen übernehmen. Es war höchste Zeit, dass jene, die geistig überlegen waren, an der Spitze standen und die anderen ihnen dienten. Er kicherte in sich hinein. „Wir Katzen sind die Krone der Schöpfung! Wir Katzen sind das beste, was die Welt hervorgebracht hat! Wir Katzen irren uns nie!“

Die Eule saß auf ihrem Ast und schlief. Als sie ein entferntes Rascheln hörte, blinzelte sie müde mit einem Auge. „Ach, die dumme Katze. Die hat mir die Geschichte wirklich geglaubt“ murmelte sie und schlief weiter.

abc.etüden 2019 10+11 | 365tageasatzaday

Noch ein Beitrag für Christianes Schreibeinladung (den abc-Etüden) mit den 3 Wörtern

Nieselregen
weich
irren

von Fundevogelnest

P.S.: Ich hoffe, es liest keine Katze mit *hüstel*