Kein reißerischer Titel, nicht einmal mit Rufzeichen dahinter, aber sei’s drum.
Jetzt erst verstehe ich warum die Hilfsverben Hilfsverben heißen. Weil sie um Hilfe rufen. Die jungen Leute heutzutage wissen nämlich einfach nicht mehr wie man sie einsetzt, und dass es anzuraten ist, die Hilfsverben in einem Satz nicht einsam und verlassen herumstehen zu lassen.
„Kann ich ein Stück Paprika/Gurke/Apfel?“ Abgesehen davon, dass es natürlich überaus löblich ist, dass mich meine Kinder öfter um Obst oder Gemüse fragen als um Süßigkeiten („Psssst, E! Jetzt gibt es keinen Pudding, die Mama muss hier ein gutes Bild von unserer Familie entwerfen!“), ist der Satz einfach nur unvollständig und wird deshalb von mir mit nervenaufreibender Ausdauer gut und gerne mit einer Gegenfrage der Art „Was? Anschauen, angreifen, abzeichnen? Du musst dazu sagen, was du damit tun willst!“ oder einfach nur seufzend mit einem müden „Haben – es heißt darf ich haben!“ beantwortet.
Aber es sind nicht nur die Kindergartenkinder, die solche Sätze ebenso unvollständig lassen wie Passivkonstruktionen: „Abgeholt!“ ist das Wort, das jedes Kindergartenkind in unserem Kindergarten entweder erfreut zu Mama/Papa/Oma/Opa oder sonst wem springen lässt oder aber ein entsetztes „Aber ich wollte das hier noch fertig basteln/spielen/anmalen!!!“ entlockt.
Für ein „Du wirst abgeholt!“ sollte doch bitte noch genug Zeit sein im Kindergartenalltag. Allerdings lässt sich das natürlich nicht so gut über den Spielplatz oder durch die Menge schreiender Kinder in einem kleinem Raum brüllen.
Nein, auch die (jungen) Erwachsenen dürften heutzutage nicht mehr wissen, dass Hilfsverben eben nur zur Hilfe einem zweiten Verb beigestellt werden. So rege ich mich ja kaum noch (*Kopf auf die Tischplatte schlag*) darüber auf, wenn es aus dem Lautsprecher im Zug tönt: „Dieser Zug endet hier. Bitte alle aussteigen!„, aber wenn ich am Bahnhof eine Durchsage wie diese höre: „Der Zug XY wird 5 bis 10 Minuten verspätet“, dann frage ich mich schon besorgt, ob der gute Mann eben vom Lautsprecherknopf abgerutscht ist, ehe er ein „sein“ nuscheln konnte, oder er den wartenden Fahrgästen das Wichtigste eben nur in aller Kürze ohne Rücksicht auf Verluste (der Grammatik) beibringen wollte – immerhin kommuniziert auch der angeblich wichtigste Mann der Welt nur mit 144 Zeichen.
Bei Grammatikthemen schreibst du mir immer aus der Seele
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und wie ist es mit dem altgewohnten „ich muss mal“, „du kannst mich mal“, „ich will aber nicht“, „das möchtest du wohl“… Die Hilfsverben wurden immer schon als Vollverben missbraucht.
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