Es gibt Träume, die hat man ein Leben lang. Wie eine Sehnsucht. Außer man erfüllt sie sich doch eines Tages oder schreibt dem Christkind einen Brief.

Zu Weihnachten habe ich eine Geige geschenkt bekommen. Yippie!

Schon als Kind wollte ich gerne Geige lernen, aber leider war meine Begeisterung für die Musikschule ob meiner großen Schüchternheit nicht ebenso groß. Es blieb bei dem Traum. Mittlerweile nehme ich wenigstens Klavierstunden. Und da ich schon bei dem Tasteninstrument ein außerordentliches Talent dafür zeige, keine natürliche Begabung fürs Musizieren zu haben, über extrem schlechtes Rhythmus- und Taktgefühl zu verfügen und definitiv einen Tussifinger besitze (der kleine Finger kämpft verzweifelt um seine Abspaltung vom Rest der Hand), war wohl nichts naheliegender als sich noch ein klassisches Instrument zuzulegen.

Dem lieben Christkind sei also Dank dafür, dass ich nun stolzer Besitzerin einer mittelpreisigen Anfängergeige bin. Immerhin wohnen in diesem Haus auch noch zwei Kinder, deren Erforschungsdrang vor so ein paar Saiten und dünnem Holz keinen Halt macht. Und man will ja auch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Lieber klecken als klotzen und einmal sehen, wie es so ist, eine echte Geige zu halten und ein bisschen darauf herum zu spielen, statt sich gleich eine Stradivari zu kaufen.

Damit wären wir auch schon an dem Punkt angekommen, der mir nach über einem Monat Sorgen bereitet. Die Vorstellung war – seit der Kindheit natürlich – in etwa folgende:

Wer kennt nicht ein paar Takte zum Beispiel aus den Vier Jahreszeiten von Vivaldi? Nur für den Fall, dass es notwendig ist, das Gedächtnis aufzufrischen, das klingt so:

Gut, mir ist klar, für die Sologeige muss man ein bisschen üben und dann noch ein bisschen mehr und halt üben, üben, üben. Aber der Klang einer Geige ist einfach unwiderstehlich, außer …

… außer natürlich man schafft es gar nicht, einen Klang zu erzeugen! *hust*

Den ersten Bogen habe ich noch am heiligen Abend hinüber befördert – in den Himmel zurück zum Christkind sozusagen. Der Bogen ist dahin. Nachdem meine Intuition für das Instrument nicht einsetzen wollte, fiel mir der beigelegte Zettel in die Hände. Und schon fiel es mir wie Blätter aus dem harzigen Baum: Kolophonium ist der Schlüssel zum Erfolg!

Nun seither streiche ich und streiche und streiche. Allerdings noch nicht den Bogen über die Geige, sondern das Kolophonium über den Bogen, aber ich klinge und bin noch immer höchstens so erfolgreich wie Waldi, statt Vivaldi!

Natürlich gebe ich so schnell nicht auf und werde das gute Stück vielleicht auch einmal mitnehmen in die Musikschule, um mir wenigstens meine grundlegendsten Fehler (den Kauf ausgeschlossen) erklären zu lassen.

Und außerdem habe ich eines von Vivaldi schon gelernt: Wenn das Instrument wieder nur klingt wie ein heiser blechernes Kratzen einer Gabel auf einem Pfannenboden, dann klinge ich beim Herumspringen vor Wut wenigstens schon wie die frierenden Kinder im Winter bei Vivaldi (Minute 1:10 und 2:52)

stampf stampf stampf stampf …