Bräuche und Brauchtum gibt es viele für den letzten Tag im Oktober und die ersten Novembertage. Selbst wenn uns Halloween sehr amerikanisch verkitscht, kunstblutig und gruselig entgegenkommt, sich Spielzeug- und Kosmetikindustrie genauso die knöchernen Finger reiben wie die Süßigkeitenimperien, so ist es doch nur der Abend vor Allerheiligen – „all hallow’s eve“.

Allerheiligen, Allerseelen folgt auf den Weltspartag. So war das schon immer – seit meiner Kindheit. Nach dem Prassen in den Münzen, die man ein Jahr lang brav in die Sparbüchse gesteckt hatte und sich kurz der Illusion hingegeben durfte, ein kleiner Dagobert Duck zu sein *hust* (das ist einer der Vorteile der Kindheit: Die unschuldige Vorstellung von unendlichem Reichtum mit ein paar Münzen in der Hand), durfte man sich mit strahlenden Augen eine Kleinigkeit aussuchen (Gegenwert irgendwo im Bereich von heute bekommen, morgen kaputt).

Dann erst hielt Halloween Einzug im Leben und aus dem braven Sparer wurde ein schauderhaftes Monster, das feiern wollte, ehe man sich auf den Friedhof begab, um an jene zu denken, die schon lange nicht mehr unter uns sind. Oder eigentlich jetzt immer unter uns sind. Gruselig war es also schon immer um Allerheiligen herum.

Ich mag Friedhöfe. Sie haben etwas Beruhigendes, etwas Endgültiges. Während vor den Friedhofsmauern die Hektik des Alltags lautstark ihren Platz fordert, ist es drinnen still und vor allem langsam und beständig. Außer eben zu Allerseelen, da wuselt es auch am Friedhof. Waldfriedhöfe sind generell voller Leben – Eichhörnchen, Vögel, Igel und natürlich die menschlichen Besucher.

In Toronto stand unser Hotel gleich neben einem Friedhof. Der kam weitestgehend ohne Mauern aus, dafür wurde man auf einem Schild am Eingang herzlich willkommen geheißen und man solle doch das Areal zur eigenen Erholung nützen. Schöne Urlaubserinnerungen – joggen am Friedhof.

Brauchen, Brauch, Gebrauchtes. Aus Notwendigkeiten kann eine Sitte werden. Altes wird immer wieder neu gestaltet. Anfang und Ende liegen nah beieinander. Bei uns zu Hause stehen die Zeichen auf Neubeginn:

Wir brauchen einen Babysitter!“ erklärte uns die 4-Jährige neulich und die 2-Jährige kreischte begeistert: „Babysitter! Babysitter!“ Meinem Mann und ich verschlug es fast die Sprache, dann führten wir ein kleines Freudentänzchen auf, hörten schon gar nicht mehr aufmerksam zu, als uns E aufzählte, welche ihrer Freundinnen schon alle einen Babysitter haben, sondern schlugen, fast ein wenig nervös, da zum ersten Mal seit einigen Jahren,  wieder die Kinoseite der Tageszeitung auf. Hektik brach aus: Was würden wir nicht alles mit so einem kinderfreien Abend anfangen? Schön essen gehen, ins Kino, mit Freunden treffen? Was machen Erwachsene doch noch gleich alles abends, wenn sie nicht beim Schlafenlegen der Kinder schon um 20 Uhr einschlafen?!

Herrje, wir waren ganz aus dem Häuschen. In Gedanken. Denn in der Realität sitzen wir noch immer in unserem Haus mitten im Nirgendwo und stellen fest: „Wir brauchen einen Babysitter!