Zwei Kinder laufen fröhlich durch eine Blumenwiese im Frühsommer. Mit den ausgestreckten Fingerspitzen berühren sie die bunten Blüten, rufen schon von weitem „Mama! Papa!“, winken und lassen sich von den Eltern, die vor einem schmucken Einfamilienhaus (mit Pool im Garten) stehen, auffangen und herumwirbeln. Dann fallen alle gemeinsam lachend ins Gras.

Szenenwechsel: Eine Rennstrecke. Die jungen, actionsuchenden Fahrer können kaum den Start abwarten. Sie geben sofort richtig Gas und brausen los, aber im Testlauf wirft es einige aus den Kurven oder sie verreissen mittendrin in ihrem Übermut das Lenkrad und krachen gegen Seitenwände, andere Rennautos und Prallböcke.

Das erste ist – natürlich – keine Schilderung eines Tages bei M. Mama und Familie. Viel zu kitschig. Und das zweite ist kein Geschwindigkeitsrauschtraum nach dem Ansehen der 100 Fortsetzung von „Fast and Furious“. Nein, nein. Die Blumenwiesenszene vermittelt ein bisschen meine Vorstellung von Familie-mit-Kindern-haben bevor (!) ich Familie mit Kindern hatte. Und die Rennstreckenszene vermittelt ein bisschen wie es sich manchmal anfühlt, kleine Kinder zu haben. Dabei bin ich aber nicht einer der eher orientierungslosen, aber voller Energie steckenden Rennfahrerinnen, nein, ich bin der Prallbock oder die Leitschiene und die Seitenwand – ich bin einfach überall, wo man testen kann, wie hart ein Aufprall ist und was der Widerstand so alles aushält. *seufz*

50 ist das neue 30 behaupten manche oder auch 80 das neue 60. Ich nehme an, man kann hier jedes beliebige Lebensjahrzehnt einsetzen, aber neulich hörte ich tatsächlich, dass „die Kinder mit 4 Jahren in der ersten Pubertätskrise stecken„. Und Jaaaaaa, das Gefühl habe ich auch.

Täglich wird absichtlich an Grenzen gestoßen, gerüttelt. Nicht nur einmal und gut ist, nein, wieder und wieder und wieder. Und ich muss da irgendwie dagegen halten. Erklären, nachfragen, auch mal einfach ignorieren. Was ich dabei vor allem erfahre: Meine Grenzen!

Während die Zweijährige stolz alle neuen Worte, die sie kennenlernt, übt, testet die 4-Jährige die Reaktionen auf Worte und vermeintlich Provokantes. Worte, die empören, machen Spaß. Schlimm sein ist cool und Coolsein plötzlich ur-in. Mit dem zweijährigen Echo im Schlepptau höre ich also die dümmsten Sprüche im Doppelpack. *Doppel-seufz*

Und dann eben auch einmal so etwas:

Ich stehe gerade unter der Dusche, da kommt E im üblichen 4-jährigen Galopp angetrabt (normales Gehtempo gibt es ja nicht  mehr – entweder wird gerobbt, gekrochen und geschlichen oder gerannt und getanzt), reißt die Tür auf und schreit mir ein Wort entgegen. Danach zerkugelt sie sich fast vor Lachen und verschwindet wieder.

Ich rätsle eine Weile, ob es wohl etwas war, worauf ich reagieren sollte und vor allem, was es war. Hoffentlich kein Kommentar auf meinen Körper bezogen. Der Körper ist nämlich auch so ein Thema, das gerade sehr interessiert, aber die Bemerkungen von 4-Jährigen über den Körper von 40-Jährigen ist höchstens was für Twitter und ein paar Empathie-Likes.

Da höre ich die kleine Z herumlaufen und eifrigst wiederholen, was die Große jetzt auf Dauerschleife ruft: „Gnädigste! Gnädigste!“ Gnädigste haben sie mich also genannt, meine beiden Schätze. So alt fühle ich mich zwar eigentlich noch nicht oder nur ganz selten und wenn mich einmal jemand so nennen würde, hätte ich erwartet, dass es ein älterer Herr wäre, aber immerhin: Der Erziehungsauftrag darf kurz Pause machen und ich kann die Dusche vor mich hin schmunzelnd genießen.

geradestrasse
So eben und geradlinig verläuft die Entdeckung der eigenen Persönlichkeit meist nicht, da bedarf es Hindernisse und Regeln, an denen man sich die Ecken und Kanten abstoßen kann, um den eigenen Weg zu finden