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Eine Geschichte in 100 Worten erzählen? Der kleine Hase kratzte sich hinter dem Ohr. Eine gute Geschichte braucht eine Einleitung, einen Hauptteil und ein Ende. Und dazwischen ganz viel Spannung oder Gefühle.

Geschichten zu erzählen ist wie eine Bergbesteigung. Erst hoppelt man den Berg hinauf. Dann ruht man sich am Höhepunkt aus, genießt die Aussicht, beißt in eine knackige Karotte und lauscht dem Geräusch des Windes oder auch nur jenem der eigenen Kiefer, welche das Gemüse zermalmen. Schließlich geht es wieder hinunter.

Dazu bedarf es mehr als 100 Hopser und eine Geschichte braucht mehr als 100 Worte, da war sich der Hase sicher.


So weit das Drabble, das uns Tante Tex beim letzten Story Samstag aufgegeben hat. Eine Geschichte rund um die Worte Hase, Berg und Geräusch und bitte genau mit 100 Worten.

Drabble, das hatte ich noch nie zuvor gehört. Die Idee dahinter ist einem Begriff von Monty Python entnommen: Ein Wortspiel, das der gewinnt, dem es gelingt in 100 Worten einen Roman zu erzählen.

Also, kleiner Hase, streng dich einmal an. So ein Drabble, das muss doch zu schaffen sein.


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Eine Geschichte in 100 Worten? Der kleine Hase kratzte sich hinter dem Ohr. Dann hört einmal zu: 

Jedes Jahr zu Frühlingsbeginn trafen sich die Tiere auf einem Berg zum Redewettbewerb. Gänse und Enten schnatterten stets zu viel, Igel und Maulwurf hingegen brachten den Mund nicht auf.  So standen sich im Finale schließlich Eule und Hirsch gegenüber. Der Hirsch röhrte beeindruckend und alle klatschten begeistert. Die Eule aber schloss die Augen, drehte den Kopf herum und wartete. Und alle warteten gespannt mit. Und warteten und warteten. Es war mucksmäuschenstill, kein Geräusch zu hören. Da plötzlich rief sie „Schuhu!“ und die Menge tobte. 


Na, also. Geht doch irgendwie. Hui, und welchen Suchtfaktor das hat! Einmal gedrabblt, nie mehr losgekommen davon. Also lieber Hase, bitte, noch eine einzige, klitzekleine Geschichte!


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100 Worte?  Noch einmal? Der kleine Hase kratzte sich hinter dem Ohr. Also ausnahmsweise.

Hoppelt ein Hase auf einen Berg, trifft er oben einen Zwerg. Sagt der Zwerg: „Wer bist denn du? Schaust nicht aus wie eine Kuh. Auf deinem Kopf, ganz obenauf, sitzen ja zwei lange Ohren drauf!“ 

Der Hase besieht sich die Zwergenmütze und wirft sie in die nächste Pfütze. „Bei mir ist alles angewachsen, meine Ohren machen nicht solche Faxen“

Fast hätt‘ der Hase eins drauf bekommen, da haben die zwei ein knackendes Geräusch vernommen. Ängstlich laufen beide davon, kaum sind sie weg, hört man keinen weiteren Ton.

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