Ich verzichte seit zwei Jahrzehnten auf Fleisch. Aus Überzeugung, weil Tiere ein Recht auf ein würdiges Leben haben. Daher halte ich Wölfe auch nicht für böse und Hühner müssen in meiner Gegenwart nicht damit rechnen, gerupft zu werden.
Bis 2017 war das so. Dann änderte sich auf einen Schlag alles!
O.K., das war jetzt ein bisschen dick aufgetragen, aber zumindest das Hühnchen musste daran glauben.
Wie es zu einem solchen Sinneswandel kommen kann? Folgendermaßen:
Vorgeschichte bis hin zur Geschichte in der Geschichte
Man kaufe ein Buch über eine Geschichte, in der es Wölfe nur in Geschichten gibt. Das ist zumindest das, was der Ziegenvater denkt, als er seinen Geißlein (auf deren eigenen Wunsch) die gruselige Geschichte vom bösen Wolf vorliest. Doch plötzlich scheint das, was in der vorgelesenen Geschichte passiert, auch den Ziegen selbst zu widerfahren: Unheimliche Geräusche hier, offene Fenster unter dem Dach, ein gräßliches Klopfen dort und zu guter Letzt der Geruch von Feuer!
Während die Zicklein fast schon panisch werden, beharrt der (Kuchen backende, Wäsche waschende) Ziegenvater darauf, dass es Wölfe gar nicht gibt – außer eben in Geschichten. Als Erwachsener weiß er schließlich Bescheid über die Welt und hat darüber hinaus auch noch die Aufgabe, seinen Kindern die Angst zu nehmen. Das tut er auch vollends überzeugt davon, Realität und Geschichten-Humbug bestens unterscheiden zu können, bis … ja, bis es zu regnen beginnt und er hinauslaufen muss, um die Wäsche abzunehmen.
Den Schluß verrate ich jetzt aber nicht. Das wäre wirklich ein Spoiler! Da müsst ihr schon selbst in das amüsante Buch „Wölfe gibt’s doch gar nicht“ rein schauen, es lohnt sich.

Väter – die geheimnisvollen Wesen
Von der Idee her finde ich das Buch erfrischend anders und der Spannungsaufbau ist ebenso gelungen wie die Überraschungseffekte. Auch das Rollenbild des Vaters ist detailreich ausgemalt und nicht unbedingt das klassische: Mittwochs bäckt er Schokoladenkuchen und kümmert sich um Haushalt und Kinder. Ob das nur mittwochs so ist, erfährt man nicht. Ob es sich bei dem Ziegenvater um einen alleinerziehenden, einen Vollzeit- oder „nur“ einen engagierten (die Mutter aktiv unterstützenden) Papa handelt, bleibt eines der großen Geheimnisse dieses Buches bzw. der Fantasie des Lesers überlassen. Auf jeden Fall wird ein sehr löblich, weil sorgendes Vaterbild gezeichnet.
Normalerweise würde ich mich ja jetzt auf meinem Blog über den obligatorischen Mittwochs-Schokoladekuchen echauffieren und die geheime Zuckerwerbung anprangern, ohne welche die Kinderbücher schon seit langem nicht mehr auszukommen scheinen, mindestens seit Hänsel und Gretel und dem berühmten Lebkuchenhaus. Wäre es aus Brokkoli gewesen, hätten die Geschwister ein grausames Beinahe-Schicksal weniger erleiden müssen! Ich möchte das nur einmal am Rande erwähnen.
Immerhin könnte es bei Ziegens zu Hause mittwochs ja auch immer bunten, knackigen Salat geben. Wer würde sich besser als Gemüsewerbeträger eignen als ein Pflanzenfresser! Ziegen mögen ja auch gar keinen Kuchen und backen werden sie ihn noch viel weniger. Aber ich habe genau genommen auch noch nie eine Ziege gesehen, die ihren Kindern Bücher vorliest. Also lassen wir das. Wo ich den wöchentlichen Kuchentag noch nicht einmal meiner Schwiegermutter ausreden konnte. Und die Zucker-ist-böse-insbesonders-in-Literatur-für-die-ganz-Kleinen-Schelte habe ich nun langsam ausreichend ausgeschlachtet.
Apropos. Damit wären wir endlich bei dem armen Hühnchen angekommen, von dem ich eigentlich berichten wollte. Jenes Federvieh muss ich noch mit meinem Mann rupfen, der sich ebenfalls zur Gattung der vorlesenden Väter zählt. Neulich beschloss er, das Wolfsbuch abends als Einschlafgeschichte unserer Tochter vorzulesen und zwar so unheimlich und gruselig wie nur möglich. Oh, ich habe die Rufzeichen vergessen: so unheimlich und gruselig wie nur möglich!!!
Ja..ha, so sind sie die Väter – es ist nicht immer durchschaubar, was in so einem Papa vor sich geht.
Fazit
Zwei Nächte lang konnte unsere E nicht gut schlafen, sondern hatte schreckliche Albträume von einem Wolf, der Kindern und Kuscheltieren auflauern würde. Sie wachte schreiend vor Angst auf. (Was nebenbei gesagt auch bedeutet, dass ICH nicht gut schlafen konnte, weil ich das arme Kind trösten musste, während mein Mann gar nichts mitbekam von der ganzen Wolf-hat-Kuscheltier-gefressen-und-versteckt-sich-unter-dem-Polster-Panik).
Ich mag das Buch trotzdem sehr, und E mochte es lange Zeit auch, aber man sollte es nicht als (Gute)Nachtgeschichte auf’s Nachtkästchen legen!
Wortgeflumselkritzelkram schreibt jede Woche über ein Buch, das sie gerade liest („Heute lese ich …„) und ich mache (derzeit vor allem mit Gedanken über Kinderbücher) mit.
Inzwischen beteiligen sich bei „Heute lese ich …“ auch
Michaela von Buecherlogie
Regine von Regenbogen und Freudentränen
Veronika von vrojongliert
und Tarlucy
Einhörner gibt es nicht nur auf Taschen sondern auch sonst mit allem möglichen Glitzerkram. Unterbinde das lieber frühzeitig – das wird ein teurer Spaß bis ins Erwachsenenalter. Nimm lieber die Wölfe und ein paar Nächte Alpträume 😊
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Bisher konnte ich es erfolgreich abwehren, aber wer weiß, diese Unicorns haben vermutlich magische Kräfte 😉
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Ich würde sagen, der Papa muss zur Strafe die nächsten Tage Einhorngeschichten mit literarischem Zuckerguss vorlesen. *gg*
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Großartige Idee. E hat die Einhörner gerade für sich entdeckt und lag mir damit den ganzen Samstag in den Ohren! Die gibt es nämlich auch auf Taschen, die Einhörner, nicht meine Ohren 😉 und sie hat ja erst zigillionen Täschchen *seufz*
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Einhörner gibt es nicht mehr. Die haben die Löwen auf der Arche Noah gefressen.
Und das Buch will ich jetzt auch haben.
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😀
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