Der Oktober ist vorbei und im noch jungen November fühle ich mich nahezu verschluckt vom Teilzeit-Mama-Alltag. Im letzten Monat gab es aber ein Wort, das mich ob seiner relativen Unwichtigkeit sprachlos und stolz zugleich machte und über das ich heute schreiben will.

Als Mutter zweier kleiner Kinder erlebe ich gerade zum zweiten Mal wie sich erste Worte formen. Dieser Vorgang ist, um es mit den Worten meines Lieblingsvulkaniers auszudrücken, „faszinierend“.

Meine größere Tochter wählte mit 1 ½ Jahren das Wort „Bär“ als jenes, welches ihre „Mama!“ und „Papa!“-Rufe ergänzen sollte. Das war auch nicht allzu verwunderlich, da damals ein Teddybär ihr liebstes Kuscheltier war. Bei einem Besuch im Bärenwald Arbesbach war sie dann kaum zu halten. Mit größter Begeisterung rief sie „Bär! Bär! Bär!“, kaum dass sie eines der Tiere entdeckte. Ihre Augen leuchteten vor Aufregung und sie konnte auch danach jedes der dort gemachten Fotos eindeutig benennen: „Bär!“.

Ganz kleine Kinder (so ab einem Jahr) sprechen öfters einzelne Worte nach, unvermittelt, irgendwann, schön deutlich. Nur auf eine Wiederholung kann man ewig warten. Da scheint das (von Produzenten beliebte, weil verkaufsfördernde) Wegwerf-Prinzip zur Anwendung zu kommen: Wurde ein Wort bereits einmal verwendet, kann man es getrost von der Liste streichen. Die Sache mit der Anwendung wäre abgehakt. In der Praxis sieht das etwa so aus:

Mama unterhält sich mit jemanden und plötzlich kräht der Nachwuchs etwas dazwischen, was er gerade aus dem mütterlichen Wortschwall aufgeschnappt hat, also z.B. „kaufen“. Mama verstummt sofort, vergißt selbst den Gesprächspartner und starrt das Kind an. Danach prasselt ein „Sag’s noch mal! Bitte, sagst du es noch einmal? K-A-U-F-E-N. Kannst du K-A-U-F-E-N sagen?“ auf den Zwerg ein. Der aber strahlt die Erwachsenen fröhlich an, und genießt schweigend die Aufmerksamkeit. Und das Wort wird erst Monate später vielleicht wieder dem kindlichen Mund zu entlocken sein.

Bei unserer Kleineren sind wir gerade in der Phase, in der allmählich veständliche Worte geäußert werden, um außer „Mama“, „Papa“ und „Mmma“ (also Oma) auch Dinge zu benennen. Als ich vor kurzem morgens beim Zähneputzen im Badezimmer stand, kam die kleine Z zu mir, schob stolz einen roten Hocker vor sich her und sagte ganz klar und deutlich „Hocker“. Als ich sie mit Fragezeichen in den Augen und (Zahnpasta)schaum vor dem Mund anschaute, wiederholte sie schön laut und langsam „HOOO-CKER“. Ich war baff. Dieses Wort ist keine dieser Eintagsfliegen. Es war nicht der Versuch, etwas eben Gehörtes nachzuplappern. Nein, „Hocker“ ist das Wort ihrer Wahl, um die Vokabelsammlung zu eröffnen!

Wochenlang plappert man ihr vor: „Das ist eine Ente. E-N-T-E“ oder „Das ist ein Auto. A-U-T-O. Schau! Da ist noch ein Auto. Ein rotes A-U-T-O. Und noch eines! So viele A-U-T-O-S.“ [Kein Wunder, wir beobachten die Straße]. Und folglich kann das Kind auch schon ganz wunderbar „brrrrrrrmmmm brrrrrrmmmmm“ machen, aber Ente und Auto sagt sie trotzdem noch nicht.

Und dann, völlig überraschend ein selbstgewähltes Wort. Die Bezeichnung für ein Ding, das ihr recht wichtig erscheinen dürfte.

Huch, der Hocker hat also mit seinen 4 Beinen das Rennen gemacht. Dabei steht er meistens nur kerzengerade herum, auch wenn das Hocken vom mittelhochdeutschen „Huchen“ kommt, dem Kauern.

Hock di hea do“ ist in Tirol eine freundliche Einladung, nicht nur Platz zu nehmen, sondern es sich auch gemütlich zu machen. Bei unserem Nesthäkchen – welches sich vom Nesthocker ableitet – kommt wohl die Vierteltirolerin zum Vorschein, wenn sie fröhlich ihr „Hocker“ in die Welt hinaustrompetet, während sie die verschiedensten Sitzgelegenheiten ausprobiert: Bücherstapel, Kinderherd, Motorikwürfel oder gar die Brotbox. Der Erforschung der Sprachwelt steht (k)ein Hocker im Weg.