Ich halte von Höflichkeit sehr viel, also zumindest viel, na ja, einiges. Ein gewisses Maß an Höflichkeit erwarte ich mir und bringe ich – meiner Ansicht nach – auch anderen entgegen. Man muss es mit der Höflichkeit nicht übertreiben. Höflich statt ehrlich finde ich nicht so gut, außer bei Geschenken. Geschenke an sich haben für mich in erster Linie einen ideellen Wert. Wenn ich jemandem ein Geschenk mache und daneben greife, kann er/sie trotzdem sicher sein, dass ich mir Mühe gegeben habe. Und das zumindest sollte anerkannt und mit Dank bedacht werden. So (wenig selbstlos) bin ich nun einmal.

Ein „Bitte“ hat noch selten geschadet, auch wenn es mitunter manipulativ eingesetzt wird. Aber aus einem „Bitte lesen“ abzuleiten, dass es sich NICHT um einen Beipacktext oder ein „read me“ file handelt, sondern um den Zugang zum Cloud Reader von Amazon, dazu reicht selbst bei mir die Fantasie nicht wirklich aus.

Nachdem ich nun – mit eventuell ein paar Jahren Verspätung – neulich feststellte, dass ich meine kindle Bücher auch über eine Cloud lesen kann, hat mich das überaus erfreut. Allerdings habe ich an jenem horizonterweiternden Abend einige Zeit gebraucht, um herauszufinden, dass der Menüpunkt „Bitte lesen“ eben jene Weiten des bewölkten Himmels eröffnet.

Wirklich? „Bitte lesen“ – das ist die Übersetzung für „Kindle Cloud Reader“? Das erinnert doch mehr an das legendäre „Bitte säbern“ des koreanischen Beamers, wenn er gereinigt werden wollte oder die „Kaufenstraße“ für Einkaufsmeile in einem italienischen Städtchen. Nur weil es höflich klingt, ist es noch lange nicht aussagekräftig und die beste Übersetzung. Wenigstens steht nicht „Wolkenleser“ da, sonst würde so manch ein Deutschsprachiger nämlich womöglich aus allen Wolken fallen.