Plötzlich war er da: traumatisiert und stumm, reich an schlechten Erfahrungen, ewig schwierig – ein seelisch gebrochenes Alphatier. So kam er in unser Leben.
Aber beginnen wir am Anfang:
Irgendwann beschloss ich, dass ich mehr tun wollte, als nur ab und zu für einen guten Zweck zu spenden. Aktive Hilfe statt nur passive Unterstützung, Gewissensberuhigung durch Kontakt zu Gleichgesinnten statt im eigenen Kämmerlein still und traurig über die Unmenschlichkeiten der Menschen zu verzweifeln.
Ich meldete mich bei einer Tierschutzorganisation. Natürlich konnte ich nicht viel mehr anbieten, als etwas von meiner Freizeit, also die Nachtstunden oder Wochenenden. Mir schwebte so ein Zwischending zwischen Tierrettung und Armchair-Aktivismus vor, also Spendenaufrufe verschicken oder mit dem eigenen PKW einen Fahrtdienst erledigen.
Zunächst passierte gar nichts. Dann bekam ich eines Tages einen Anruf. Man suche dringend Plätze für gerettete Tiere. Dummerweise war das etwas, womit ich gar nicht dienen konnte, denn ich lebte ja mehr im Büro als zu Hause. Aber ich erzählte einer guten Freundin von der ganzen Geschichte und siehe da, sie kannte jemanden, der sich gerade einen Hund zulegen wollte.
Ich wurde zur Schnittstelle zwischen Angebot und Nachfrage, hörte aber bald von beiden Seiten nichts mehr. Alles nur vage, keine fixe Zusage, weder hier noch da. Bis Silvester. Ausgerechnet am Jahresende erhielt ich einen Anruf. Mein Welpe sei unterwegs zu mir! Silvester ist bekanntlich ein Feiertag, den Hunde fürchten. Knallerei ab Mittag, deren Sinn sich mir bis heute nicht erschließt.
Der Welpe war ein ausgewachsener Hund, schwarz und ernsthaft. Sein Kopf war nicht zertrümmert so wie der eines anderen Welpen und er kroch auch nicht nur am Boden vor lauter Angst, so wie der kleine Schäferhund, sondern er lief mir fast stolz entgegen, als ich ihn abholte.
Der Bekannte wollte den Hund dann lieber doch nicht.
Das Tier selbst wollte das alles wohl nicht. Es bellte drei Tage lang nicht. Kein Ton. Kein Winseln. Keine erkennbaren Gefühlsregungen. Apathisch.
Nach drei Tagen brach aus dem schweigsamen Tier plötzlich die ganze Wut auf die Menschheit heraus, auf die Wesen, die ihm so übel mitgespielt hatten bisher. Der Hass auf Menschen war groß. Meine Verzweiflung noch größer. Dann fand sich jemand, der uns half, dem Hund wieder Vertrauen zu geben.
Mit der Zeit wurde aus dem „Problemhund“ ein ganz wunderbarer, treuer und unglaublich dankbarer Begleiter, dem Passanten auf den Wanderungen zärtlich den Kopf tätschelten, weil er gar so lieb war! Zugegeben die erste Zeit war mehr als nur schwierig (ganz besonders für Hundeneulinge), aber sein stummes Hüpfen als Zeichen der Freude, sein tiefes Seufzen, wenn er nach einem ausgedehnten Spaziergang müde auf die Rückbank des Autos sank, sein unglaubliches Vertrauen in uns, nach allem, was er in den ersten Lebensjahren durchgemacht hat, das und vieles mehr bleibt in meinem Herzen als schöne Erinnerung und Hoffnung darauf, dass man die Vergangenheit auch hinter sich lassen kann.
Er verschwand so plötzlich aus meinem Leben wie er gekommen war, aber zu Silvester denke ich wieder an ihn und an zehn sehr aufregende, aber schöne Jahre.
Eine wunderschöne Geschichte. Wir haben auch zwei Hunde aus dem Tierschutz, beide aus Rumänien. Sie sind die Mühe so was von wert! Danke für’s Erzählen,
Viola.
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Ich finde es schön, dass du dich für Tiere einsetzt! Wirklich, in meinen Augen ist das ein wunderbarer Charakterzug!
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Vielen Dank! Ist vermutlich eine Mischung aus Erziehung und Persönlichkeit: „Oh, wie süß! Ein Kätzchen/Hündchen/Was-auch-immer-ohne-8-Beine!“ 😉
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Also ich mag auch Tiere mit mehr als vier Beinen – aber damit mache ich mir selten Freunde 😉
Komm gut ins neue Jahr 🙂
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Da fändest du aber viele Freunde bei uns im Keller *kribbel krabbel* 😉
Ebenfalls einen guten Rutsch!
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