Verstoßen, verlassen, Verzweiflung. Diese Worte klingen so kraftvoll und schön, wenn sie aus dem Mund der Königin der Nacht kommen und doch bedeuten sie nichts Gutes, sind sie im Falle der Zauberflöte doch direkt der „Hölle Rache“ entsprungen.

ver-loren, ver-dammt, ver-wirrt, ver-worren, ver-gessen, ver-kannt, ver-säumt. Das Präfix ver kommt von vorbei und weg, drückt Ver-änderung aus und hat sehr oft einen negativen Konnex.

Nicht (unbedingt) so bei Vereinigung, vergolden, Vertrauen, Verstand. Ver bedeutet hier mit etwas versehen, im besten Falle mit Freunden, glänzendem Gold und ein bisschen Verstand. Und letzterem wollen wir uns heute kurz zuwenden, solange wir noch bei solchem sind.

stehen, stand, gestanden => verstehen => Verstand kommt aus dem Althochdeutschen firstān mit der Bedeutung: „um etwas herum stehen“. Und wenn man schon mal da ist und nur herumsteht, dann kann man auch gleich versuchen es zu erfassen, zu ergreifen und beherrschen. (Gelegenheit macht gierig und machtbesessen und neugierig aus Langeweile – oder so ähnlich).

Den Verstand einschalten und schon hat man verstanden, wird man verstanden? So leicht ist es leider meistens nicht, denn oftmals verstellt etwas das Verstehen. Es sind aber auch viele Unbekannte, zumindest Variablen im Spiel: Worte, deren Bedeutung schon für sich alleine vielfältig sein können. Worte aneinandergereiht sind umso schwerer eindeutig festzulegen. Und noch einmal erschwerend kommt hinzu, dass der Faktor Mensch mitspielt. Hier als Sender, dort als  Empfänger. Wer sich schon einmal auf die Suche nach einem verlorengegangenen Paket machen musste, weiß welche Sisyphusarbeit das sein kann. Manchmal ist miteinander zu reden versuchen, seinen Standpunkt vermitteln um nichts leichter, als vergeblich einen Stein bergauf rollen zu wollen. Ver-suchen ist überhaupt lustig. Am Telefon verwählt man sich schon mal, im Text verschreibt man sich, aber wenn man etwas zuwege bringen will, dann kann man es ver-suchen. „Hast du’s gefunden?“ – „Nein, leider nicht, ich habe mich versucht.“ Also, ich kann über solche Wortwitze lange schmunzeln.

Verstanden zu werden ist keine Selbstverständlichkeit. Aneinander vorbeireden passiert am laufenden Band. Bliebe das Band doch nur stehen. Ausruhen, verweilen. Könnte das helfen, zum Verständnis beitragen?

[…] Verweile doch du bist so schön […]

Und schon sind wir des Teufels! Denn dann würden sich womöglich die Worte verheddern, die immer weiterfließen. Ach weh, die Verständigung klappte wieder nicht.

Kommunikation ist etwas Lebendiges, das vom Austausch lebt: Hergeben, aufnehmen, suchen, versuchen zu verstehen, sich auszudrücken. Ein Geben und Nehmen und doch ändert sich das Ausgetauschte wie durch Zauberhand (Teufelswerk?), sodass nicht immer das ankommt, was auf den Weg geschickt wurde. Womit wir wieder beim Paket sind. Verpackt scheinen die Worte. Und werden sie herausgeschält aus ihrem Transportbehältnis, schon haben sie den Glanz verloren, der ihnen eigen war, als sie verschnürt und auf die Reise geschickt wurden. Oder aber sie glänzen in einer anderen Farbe. Wer überall nur schwarz-weiß sieht, kann Grautöne nicht mehr erkennen und wer nur nach Grautönen sucht, wird selbst im dunkelsten Schwarz noch ein bisschen Weiß erkennen wollen.

Was wenn andere dich besser verstehen als du dich selbst? Oder bleiben wir sowieso immer unverstanden und manchmal auch uns selbst ein Rätsel?

Un-ver-standen. Damit sind wir endlich dort angelangt, wo uns der Titel schon vor vielen Worten hinführen wollte. Da stehen die Worte im Raum (oder auf dem Papier, dem Bildschirm, dem Display, an der Höhlenwand, in den Sand gekritzelt) und jeder hat dazu ein anderes Bild im Kopf. Wer A sagt muss auch B sagen, aber gehört wird C und gemeint war D.

Vermittlung als Hilfestellung für Verständnis? Der Dolmetsch, der Lehrer, der Freund, der erklärt, was gemeint war, am Ende sogar, was du selbst gemeint hast? Vermittlung als neue Ebene der Verwirrung, der Verrenkung des ursprünglichen Sinnes. Kommunikation – cum munia, mit Leistung. Es bedarf der Leistung, der (großen) Anstrengung, um einander zu verstehen.

Wenn man von Sprache spricht, von sprechen, denken, verstehen, kann man Ludwig Wittgenstein und seinen Tractatus logico-philosophicus zitieren (man will ja gebildet und belesen wirken, hoffentlich hat man sich nur nicht verlesen):.

4.063: Um aber sagen zu können, ein Punkt sei schwarz oder weiß, muss ich vorerst wissen, wann man einen Punkt schwarz und wann man ihn weiß nennt; um sagen zu können: »p« ist wahr (oder falsch), muss ich bestimmt haben, unter welchen Umständen ich »p« wahr nenne, und damit bestimme ich den Sinn des Satzes.

5.61: Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken; wir können also auch nicht sagen, was wir nicht denken können.

Oder auch

Friedrich Schleiermacher, der die Hermeneutik als

„die Kunst, die Rede eines anderen, vornehmlich die schriftliche, richtig zu verstehen“

definierte.

Und damit wäre fast schon alles gesagt.

Oder aber der Diskurs erst eröffnet 😉

Beim Verstand und beim Verständnis müssen wir erst die kleine Silbe un- davorschieben, damit aus dem ver- wieder etwas Negatives wird. Sprache kann verwirrend sein, ganz besonders dann, wenn man sie benützen möchte, um etwas zu sagen.