Wie ich neulich schon ausführte (100 Stufen unter der Erde (U-Bahngeschichten), bietet das Reisen mit Öffis einiges an Stoff, fürs Bloggen zum Beispiel.

M. Mama sitzt in der U-Bahn. Ein Mann mit seiner 6-jährigen Tochter steigt ein und nimmt gegenüber von M. Mama Platz. Nun könnte ich mich rühmen, als Mutter einen 6. Sinn dafür zu haben, das Alter von Kindern genau zu erkennen, Tatsache aber war, dass ich das Alter dem Gespräch zwischen Vater und Tochter recht schnell entnehmen konnte. Hat man keine Kopfhörer dabei ist man den Gesprächen rund um einen ja mehr oder minder hilflos ausgeliefert, so es einem nicht gelingt, in Gedanken ganz abzuschweifen.

Die beiden unterhielten sich über dies und das und irgendwann fiel der Satz:

Das war lange vor deiner Zeit, so vor ungefähr 20 Jahren. Da warst du noch gar nicht auf der Welt.

Und dann wurde es ein bisschen philosophisch. Die Tochter lauschte den Worten ihres Vaters und stellte die völlig logische Folgefrage:

Wo war ich denn damals, wenn ich noch nicht auf der Welt war?

Das war der Moment, in dem auch ich hellhörig wurde. Da war ich jetzt doch zu gespannt, wie der Vater das erklären würde, nachdem ich das eine oder andere Mal schon ähnliche Gespräche mit meiner älteren Tochter führen musste und bisher die Argumentation verwendete: Die Kinderlein wären sozusagen vor ihrer richtigen Existenz auch schon im Bauch der Mutter – im weitesten Sinne ist es das doch irgendwie wahr, oder? (Biologen mögen sich das Losprusten jetzt bitte verhalten. Als Mutter hat man genug schwierige Gespräche in der Öffentlichkeit zu führen, da muss man den Kindergartenkindern ja noch nicht alle Details verraten. Sie sollen später aus dem Bravo auch noch was lernen können.)

Der Vater überlegte kurz und sagte dann: „Da warst du Nichts.“

Nun ist bekanntlich das Nichts schwer vorstellbar. Als Kind habe ich mich immer wieder daran probiert, mir die Welt vor der Entstehung oder meine Sicht auf die Welt ohne mich vorzustellen und muss sagen, es war eigentlich undenkbar. Das Mädchen dürfte auch ihre Schwierigkeiten mit dieser Antwort gehabt haben und schlug vor:

War ich da Luft?“

Der Vater aber beharrte darauf, dass sie Nichts war.

Hm. Luft ist auch irgendwie Nichts, solange sie da ist. Erst wenn sie weg ist, merken wir, dass sie nicht Nichts ist. Die 6-Jährige überlegte weiter und stellte dann die zweite völlig logische Folgefrage:

Und wie wird aus dem Nichts dann ein Baby?“

Ha! Jetzt musste ich mir das Grinsen wahrlich unterdrücken. Erwartungsvoll schauten das Mädchen und ich den Vater an. Und was machte der? Statt mir ein Aufklärungsgespräch für kleine Kinder zu liefern, auf das ich später einmal zurückgreifen könnte, tat er das, was alle Eltern tun, wenn ihnen derart heikle Frage in aller Öffentlichkeit gestellt werden: Er versuchte geschickt vom Thema abzulenken!

Das ist eine lange Geschichte. Die erzähle ich dir ein anderes Mal. Das würde jetzt zu lange dauern. Aber ich erzähle sie dir noch, bevor du im Herbst in die Schule kommst. Versprochen.“

Und damit war der Themenwechsel vollbracht. Das Stichwort „Schule“ war gefallen und darüber gab es noch viel zu reden.

Credit: NASA, ESA, and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)