Das Meer hatte er nie gemocht: salzig, voller Kinderlärm und halbnackter Menschen, deren Anblick er noch nicht einmal ertragen mochte, wenn sie ihm angezogen über den Weg liefen. Und doch saß er jetzt hier, bohrte seine Zehen in den Sand und beobachtete den blonden Jungen, der nach Schildkröteneiern grub – seinen Stiefsohn.
Die junge Frau, die sein ganzes Leben durcheinander gebracht hatte mit ihrer sympathisch klugen Art, vor allem aber ihrem aufgeweckten Anhängsel namens Noah, lag ein paar Meter weiter auf einem grünen Liegetuch und hielt die Augen geschlossen.
„Das Kind muss noch viel lernen von mir“ dachte er, stand langsam auf und stellte sich unbemerkt hinter den Jungen.
„Der Mensch sollte sich nicht durch seine Unmenschlichkeit auszeichnen“ sagte er laut und nahm Noah behutsam das Schildkrötenei aus der Hand.
Der Junge erschrak fürchterlich, pfauchte „Lass mich in Ruhe, du bist nicht mein Vater!“ und lief davon.
Auch er musste noch vieles lernen – über Kinder, Erziehung und seine Rolle in einer Familie, die bisher intakt schien und nun plötzlich Platz für einen mehr haben sollte.
Noch ein Beitrag zu Christianes abc etüden (3 Worte, 10 Sätze, 1 Geschichte) und der aktuellen Wortspende von Jaecki Lindenau aus Berlin: Meer, Mensch, Kind
Das Bild stammt von lz.