Die Schultasche

Nachdem die Karenzzeit für E vorbei war und ich wieder zu arbeiten begonnen hatte, trafen wir eines Tages auf der Straße auf einen Bekannten. Genau genommen saßen mein Mann und ich im Auto, an der roten Ampel wartend, und er spazierte vor uns über den Zebrastreifen – mit einer rosa Glitzerschultasche.

Wir stutzten kurz, dann hupte mein Mann, ließ das Seitenfenster herunter und rief laut, so daß es auch alle Passanten mitbekamen: „Schöne Tasche, Herr Kollege!

Wir fanden bald heraus, was es mit dem auffälligen Accessoire auf sich hatte. Immerhin tragen erwachsene Männer im dunklen Anzug selten grell leuchtende, pinkfarbene Kinderschultaschen, die so grell im morgendlichen Sonnenlicht glitzern, dass man nicht einmal erkennen kann, ob es sich um Hello Kitty, Prinzessin Lillifee oder Frozen handelt.

Das Märchen vom immer fröhlichen Mädchen

Es war einmal ein Mädchen, nennen wir es Klein-Olvida.

Jeden Morgen sprang sie fröhlich in die Schule. Doch an einem Tag war etwas anders. Beim Verlassen der Wohnung rief sie ihren Eltern wie jeden Tag ein helles „Tschüss, Mama! Tschüss, Papa!“ zu und hüpfte die Stiegen hinunter zur Straße. Dort schlenderte sie fröhlich an den Geschäftsauslagen vorbei, summte ein lustiges Liedchen und bewunderte die vielen Dinge, welche die Konsumwelt erst schön machen. Kindlich sorgenfrei und guten Mutes dachte sie voller Wohlbehagen: „Heute fühle ich mich so leicht und unbeschwert.

In der Schule angekommen tratschte sie mit ihren besten Freundinnen bis die erste Stunde begann. Die Lehrerin betrat das Klassenzimmer wie jeden Montag bis Freitag und nach ein paar Minuten sagte sie: „So, Kinder. Nehmt bitte euer Hefte heraus.

Da erst fiel es Klein-Olvida wieder ein. „Oh weh! Ich habe ja meine Schultasche vergessen!“ Zum Glück hatte sie ihr pink-weiß-goldenes Kinderhandy in der Jackentasche und konnte sofort ihren Papa anrufen, der sich gerade auf den Weg ins Büro machen wollte.

Der Rucksack und andere Bürden

So oder so ähnlich wird es wohl abgelaufen sein. Tz, tz, tz. Diese Kinder heutzutage. Und erst ihre Eltern! Ohne Smart-Technik funktioniert gar nichts mehr. Höchste Zeit für eine Smart-Schultasche (die iR-MembeR-Mi™), die Kind und Eltern sofort eine Nachricht aufs Handy schickt (die sich gewaschen hat), sollte sie zu Hause stehen gelassen werden.

Wir hatten jedenfalls noch lange Spaß an der Geschichte und lachten und lachten bis …

…wir in den nachfolgenden Monaten selbst

  • den Rucksack der Großen zu Hause vergaßen, gerade einmal eine Woche nach dem Wechsel von der Krabbelstube in den Kindergarten (als Wechselwäsche noch unbedingt dabei sein musste)
  • am gefühlt kältesten Tag des Winters ohne Mützen beim Kindergarten aus dem Auto stiegen
  • am gefühlt zweikältesten Tag des Winters ohne Handschuhe beim Kindergarten aus dem Auto stiegen
  • beide Rucksäcke zu Hause stehen ließen
  • ausnahmsweise kein Reservegewand dabei hatten, nachdem die Kleinere im Auto schlimm husten musste
  • ausnahmsweise kein Reservegewand dabei hatten, nachdem die Große im Auto im Schlaf vergaß zu erwähnen, dass sie eine Toilette benötigen würde
  • kein Reservegewand im Kindergarten deponiert hatten, das dem Wetter angemessen gewesen wäre (und daraufhin ein Zettel DinA4 in Augenhöhe an der Eingangstür aufgehängt wurde, auf dem die Eltern ersucht wurden, dafür Sorge zu tragen, dass das Reservegewand dem Wetter angepasst ist – rote Schrift, dicke Lettern, Rufzeichen!)

Aus dem Ha ha ha wurde somit bald ein Kra kra kra … Rabenelternalarm

pinguin
Schräge Vögel, aber fürsorgliche Eltern