Wortgeflumselkritzelkram schreibt jede Woche über ein Buch, das sie gerade liest („Heute lese ich …„) und ich mache mit. Nicht unbedingt jede Woche, aber so oft ein Buch meinen Weg kreuzt und mir auch danach im Gedächtnis bleibt.
Wir lesen gerade die Geschichten von einem kleinen Tiger namens Titu. Es sind 4 Geschichten, die recht einfach gehalten sind – sowohl sprachlich als auch inhaltlich. Tierethisch betrachtet ist aber auch schwere Kost darin verpackt. Doch fangen wir mit etwas Leichtem an:
Zunächst einmal handelt es sich um ein Buch für Leseanfänger. Es kann aber genausogut zum reinen Vorlesen verwendet werden. Eine Seite Text, daneben ein Bild von dem süßen kleinen Tiger und seinen Freunden.
Zunächst feiert Titu mit seinen Freunden Geburtstag und bekommt abends ein besonders schönes Geschenk – einen Stern am Nachthimmel. Solche Geschichten mag ich.
Gibt es etwas Beeindruckenderes als die Sterne über uns? In sternenklaren Nächten wird mir die Unwichtigkeit und Winzigkeit meiner Sorgen bewußt. Manchmal ist das tröstlich. Die Erde als Pünktchen im Weltall, seinen unendlichen Weiten. Wir schreiben das Jahr 2016, dies sind die Abenteuer des kleinen Tigers … Ups – falscher Film.
In der zweiten Geschichte geht es um eine abenteuerliche (aus Kleinkind-Sicht, für Erwachsene ist das Spannungsniveau gut auszuhalten 😉 ) Rettungsaktion: Mit vereinten Kräften können Titu und der Elefant die Schlange davor bewahren, in den Fluten des wilden Flusses zu Schaden zu kommen. Vermutlich hat ein Hochwasser das auf einem Baum schlafende Reptil in arge Bedrängnis gebracht.
Durch eine Begegnung mit einem Hirsch erfährt der Tiger, dass es auch Tiere gibt, die sich vor ihm fürchten. Wobei seine Mutter ein wenig naiv meint, der Hirsch sei lediglich deshalb weggelaufen, weil er ja nicht wusste, dass der kleine Tiger nur mit ihm spielen wollte. Hoffen wir einmal, dass alle kleine Hirsche wissen, dass selbst das Spielen mit Tigern lebensgefährlich sein kann!
So, und dann gibt es noch die Geschichte über Titus Onkel, der beim Zirkus arbeitet. Während die ersten drei Begebenheiten recht lieb, ein bisschen abenteuerlich und teilweise lustig waren, bereitete mir die Geschichte „Titu und der brennende Reifen“ wahrlich keine Freude.
Inhaltlich geht es darum, dass Titus Onkel, natürlich auch ein Tiger, mit einem Wanderzirkus um die Welt reist. Da er sich an der Pfote verletzt hat, kann er nicht durch den brennenden Reifen springen. Der Zirkusdirektor will ihn deshalb aus dem Zirkus werfen! Der Onkel möchte aber gerne bleiben, weil er es liebt, fremde Länder kennenzulernen. Schließlich springt Titu für ihn ein. Zusammen mit dem Elefanten, (Achtung Spoiler!) der den Reifen löscht, gelingt es ihnen, die Zirkusnummer zu retten und das harte Schicksal des Onkels abzuwenden.
Uff!
Vielleicht muss man sich zuerst fragen, was es mit der ganzen Tiergeschichten-Sache in den Bilderbüchern eigentlich auf sich hat.
Die Tiere stehen ja meist stellvertretend für Menschen, sind aber offenbar lieblicher und süßer anzusehen. Das allein sollte uns zu denken geben.
Tiere, die durch sehr menschliches Verhalten zu Helden werden – das gibt es schon seit tausenden Jahren. Jetzt gibt es auch Fabeln für die Kleinsten. Kinder werden heutzutage aber meist vor den Grausamkeiten, die in Märchen wie Hänsel und Gretel oder Aschenputtel vorkommen verschont. Stattdessen gibt es Kuscheltier-Protagonisten, die in Menschenrollen schlüpfen. Und dann gibt es leider noch die Verharmlosung von Grausamkeiten, die wir Tieren antun.
Ein Zirkusakrobat oder -künstler, dem ein Rauswurf aus dem Zirkus droht, weil er sich (vermutlich im Zuge der Ausübung seines Jobs) eine Verletzung zuzog, ist meines Erachtens ein Fall für das Arbeitsgericht. Anzuklagen: Der böse Zirkusdirektor. Wäre Titus Onkel kein Tiger, sondern ein menschliches Zirkusmitglied, fände ich seine Wünsche ganz plausibel: Er liebt seinen Job und die Reisen und will beides auch weiterhin (bei)behalten. Da es sich aber um einen Tiger handelt, fällt es mir sehr schwer, die Geschichte ohne Kommentare an der einen oder anderen Stelle meiner Tochter vorzulesen.
Tiger gehören – genauso wie andere Wildtiere – nicht in den Zirkus. Tiger wären ganz sicher lieber in freier Wildbahn unterwegs als fast rund um die Uhr eingesperrt in einem Käfig, oder dazu gezwungen, durch einen brennenden Reifen (!) zu springen. Es ist ein Grundinstinkt, Feuer zu meiden. Solche „Kunststücke“ machen Tiere nicht freiwillig.
Bei meinen „Recherchen“ zu diesem Blogbeitrag stellte ich fest, dass Deutschland (im Gegensatz zu Österreich) noch nicht zu den Ländern zählt, in denen Wildtiere im Zirkus verboten sind! Das ist sehr schade!
Schade finde ich auch, dass sich die Autoren für dieses sonst sehr nette Kinderbuch nicht eine andere Geschichte als Abschluss einfallen ließen.
Immerhin weiß E nun, dass Tiger nicht in den Zirkus gehören. Insofern ist das Buch also zumindest auch tierethisch lehrreich und nicht nur nett anzusehen.
Oh … Gesellschaftskritik mit Kinderbüchern. Gefällt mir. Darf man ruhig anprangern. Gerade bei Büchern, die neu geschrieben werden und nicht einfach vergangenen Zeitgeist repräsentieren … Was die Zirkus-Debatte aber angeht: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine, die Auflagen für Wildtierhaltung in Zirkussen in D. ist aber so hoch, dass die meisten Zirkusse es nicht mehr leisten können. Auch wenn man sich über den Sinn von dressierten Tieren in Zelten durchaus streiten kann (und sollte).
LikeGefällt 2 Personen
Das Gelbe vom Ei ist es auch in Ö nicht, weil manch ein Zirkus dann seine Wildtiere, die hier nicht auftreten dürfen, einfach jenseits der Grenze „parkt“. Grummel. Zirkus macht für mich ohne dressierte Tiere auf jeden Fall mehr Sinn – und eventuell auch ohne Clowns, aber das ist ein anderes Thema 😀
LikeGefällt 1 Person
Das ist auch so ein spezifisch österreichisches Phänomen, glaube ich … Noch. Wer den HC hat, der braucht nicht noch mehr Clownerie. 😉
LikeLike
„Zirkus macht für mich ohne dressierte Tiere auf jeden Fall mehr Sinn – und eventuell auch ohne Clowns (…).“
Okay. Du willst Zelten gehen.
LikeLike
😀
LikeLike
Debatte angesehen?
LikeLike
Nein. Ich habe nur gelesen, dass es im Frühjahr diskutiert wurde, ein Verbot zu erlassen, konnte dann aber keine weiteren Infos dazu finden.
LikeLike
US-Präsidentschaftsdebatte. Hat geendet, als du gepostet hast.
LikeLike
Ach so! *lach* Nein, die auch nicht. Aber die möchte ich gerne noch anschauen. Dagegen hören sich die klassischen Buehnendialoge ja scheinbar wie Moralstücke an
LikeGefällt 1 Person
Die letzte war in der Tat sehr unterhaltsam, und menschlich interessant. Meine Empfehlung.
LikeGefällt 1 Person