Ich bin eigentlich ein ordnungsliebender Mensch. Am meisten liebe ich die Ordnung, wenn sie schon da ist. Ordnung neu zu schaffen bedarf schließlich eines großen Energieaufwandes und einiger Dynamik (im Gegensatz zum passiven Herumsitzen, Herumliegen, Herumstehen). Der erste Hauptsatz der Thermodynamik klingt ausformuliert ja z.B. so:

Die Änderung der inneren Energie eines geschlossenen Systems ist gleich der Summe der Änderung der Wärme und der Änderung der Arbeit. Das bedeutet, daß die innere Energie in einem geschlossenen System konstant ist

Er widerspricht damit allerdings meinen Erfahrungswerten (unerhört, was?). Wenn ich aufräume, also einen großen positiven Beitrag zur Arbeit leiste, wird mir meist ordentlich warm (entspricht einem großen positiven Beitrag zur Wärme). Beides steigt also an. Meine innere Energie sinkt aber gleichzeitig rasch ab, ich werde müde, sehr müde. Meist zu müde, um weiter zu machen. Ein Widerspruch zu obiger Aussage!

Doch mein Zuhause ist halt kein geschlossenes System. Aha! Bei uns gibt es Türen (Oh!), und durch die laufen die Kinder fröhlich rein und raus und bringen auch mal Schmutz und Sand und Steine und alles möglich (z.B. Viren) mit. Kleine Wirbelwinde. Die Physik hat also wohl doch recht. Dort heißt es ja auch, dass Energie zugeführt werden muss, um das Chaos zu erhalten. Das ist eindeutig zu bestätigen, wenn man mit Kindern zusammenlebt.

(Auf dem Blog marasgedanken zum Mutterdasein gab zum Thema Aufräumen mit Kindern neulich einen sehr treffenden Artikel!)

Aber weg von meinem bescheidenen physikalischen (Halb/Nicht)Wissen über die  großen Zusammenhänge dieser Welt, hin zu meinem kleinen bescheidenen Teil der Welt:


Von Zeit zu Zeit packt mich die Verzweiflung. Egal wo ich hinschaue, überall liegen Spielsachen, bekritzelte Papierblätter, Stofftiere, Puppen etc. Die kleine Z ist gerade in dem Alter, in dem sie bereits mehr als nur die untersten Regale, Schränke und Schubladen öffnen und ausräumen kann. Und sie liebt es. Die größere E will der kleinen Schwester natürlich um nichts nachstehen, wenn es darum geht, Unordnung zu machen. Beide helfen gelegentlich auch brav mit, wieder aufzuräumen, aber der Zustand der Ordnung ist ein sehr fragiler. Und ich will nicht immer nur die Böse sein, die ständig „Aufräumen!“ brüllt. Die Konsequenz: Meistens schaut es aus!

Beim Blick ins Wohnzimmer seufzte ich neulich laut:

„Also, das Letzte, was wir brauchen, sind noch mehr Spielsachen!“

Danach ging ich mit E in das Lebensmittelgeschäft im Ort einkaufen. Während ich beim Obst- und Gemüsestand verweilte, machte E mit ihrem Kindereinkaufswagen eine kleine Runde um das Regal daneben. Als sie zurückkam erzählte sie mir etwas von einem kleinen Kuschellöwen. Ich nickte, ohne genau zuzuhören, da ich im Geiste damit beschäftigt war, den zu Hause gebliebenen Einkaufszettel zu rekonstruieren. Irgendwann meinte E, sie wolle mir den Löwen zeigen. Da wurde ich stutzig. Ich hatte ja angenommen, sie würde von einem ihrer Kinderbuch-Kuschellöwen sprechen. Aber, siehe da: Im Lebensmittelgeschäft, das mit seiner Angebotspalette noch nicht einmal alle meine Wünsche für ein ordentliches Mittagessen erfüllt, gab es Stofftiere zu kaufen!

Oh Schreck! Das hatte mir gerade noch gefehlt. Nicht nur die Süßigkeiten meterlang aufgestapelt vor der Kassa, nein, jetzt auch noch Spielzeug. Aber ich wusste natürlich sofort, was ich zu tun hatte. Meine eigenen Worte von zu Hause hallten ja noch bedrohlich in meinem Kopf nach. Ein neues Plüschtier kam mir nicht ins Haus. Punktum.

Und dennoch war das einzige, was ich denken konnte:

„Hm, wir haben noch gar keinen Löwen …“

Unnötig zu sagen, dass meine Tochter mit strahlenden Augen der Kassierin den Kuschellöwen und den Plüschleoparden (ich habe ja schließlich zwei Kinder) zum Scannen  reichte und auf dem ganzen Nachhauseweg mit einem glückseligen Strahlen hinter mir her trabte, den Löwen an ihr Herz drückend.


Bevor jetzt alle zu Recht den Kopf darüber schütteln, dass ich keine Prinzipien habe, mein Kind zu sehr verwöhne und höchstens zum frustrationsintoleranten Materialisten und Kapitalisten (alles ist käuflich) erziehe, möchte ich noch hinzufügen, dass E den Löwen ein paar Tage später dann offiziell zum Namenstag bekam und ihn seither nicht mehr aus der Hand gib. Ab und zu (mehrfach täglich) bietet er auch ein hervorragendes Druckmittel, da so ein Kuschellöwe nunmal nur zu braven Kindern kommt¹.



Dieser Beitrag trägt das Prädikat „pädagogisch fraglich“ und entstand mit freundlicher Unterstützung keines Ministeriums für Kinder, Gesundheit, Familie oder sonst irgendetwas. Die Erziehungsvorschläge aller namhaften Elternzeitschriften wurden ebenfalls großzügig ignoriert.

¹Solche Erziehungsmethoden lehne ich natürlich grundsätzlich ab – in der Theorie. In der Praxis erweisen sie sich zum Glück noch als ganz tauglich.