N E R D
N R E D
N OT R E D
…
Nerds sind ja meist eher blasse Typen. Kommen sie dann einmal an die Sonne, werden sie schnell knallrot. Hm, so lässt sich der Name wohl nicht ableiten, aber es ist eine der Eigenschaften, die ich mit manchen Nerds gemein haben dürfte. Und, dass ich bei Geek/Nerd/Dork-Tests¹ die Frage „Do you ssh?“ nicht mit „Huh?“ beantworten muss.
Doch darum soll es jetzt gar nicht gehen. Es ist Zeit für eine Märchen- und Fragestunde:
Es war einmal …
… ein Wort. Das wollte nicht alleine bleiben und so machte es sich auf den Weg, andere Wörter zu finden. Es bestand Abenteuer in einer verkanteten Welt voller Nerds, bevor es endlich ans Zeilenende gelangte. Dort wartete schon ein Kuchen und ein Brief vom Kreis, der ohne Anfang und Ende war. Der Brief war einem Ritter gleich mit einem Kettenhemd gerüstet. Bevor er sich aufmachte, um die Herrscherin über die Ghostreiterinnen zu finden, raunte ihm eine weise, alte Eule zu:
„Sprich ihren Namen nicht aus! Frage einfach nach der, die behauptet, ihr Name sei Mama“
Die Eule erhob sich in die Lüfte und ward verschwunden. Der Brief aber machte sich auf den Weg.
Hinter einem dunklen, steinigen Wald begegnete er einem kleinen Mädchen, das gerade zum Kindergarten hüpfte. Hocherfreut den Kettenbrief zu finden, schnappte ihn das Mädchen und steckte ihn in ihre gelbe Kindergartentasche. Zwischen Jausenbrot und Taschentüchern drängten sich die 11 Fragen, die einst einer digitalen Wundertüte entsprungen waren, ängstlich aneinander. Im Kindergarten angekommen, lugten sie über den Taschenrand und sahen wie das Mädchen einen kleinen Buben anhimmelte. „Supermann“ nannte sie ihn, weil er schon ein Rad schlagen und Saltos machen konnte. Er war ihr Held. Ach wie gerne hätte sie auch solche Fähigkeiten besessen, oder wäre zumindest eine gute Freundin dieses Buben geworden. Doch sie war zu schüchtern. Bei der Rollenverteilung des Weihnachtsstückes getraute sie sich nicht, sich für die Rolle der Maria zu melden. So musste sie kurz vor dem 4. Advent als drittes Schaf von rechts auf der Bühne stehen. Aber besser Reue, als Räude.
Eines Tages wurde die kleine gelbe Kindergartentasche ganz hinten in den Kleiderkasten verbannt. Der Brief mit seinen 11 Gefährten schaffte es, sich daraus zu befreien und in der Schultasche zwischen Büchern und Heften eine neue Bleibe zu finden. So begleiteten sie das Mädchen, das davon träumte Tierforscherin oder Magierin zu werden. Houdini hatte längst den Weg frei gemacht für eine würdige Nachfolgerin, die Serengeti musste gerettet werden. Da blieb keine Zeit, sich darum zu kümmern, welche Kleidung gerade „in“ war.
Outside(r) & Inside(r) – eine kleine Parabel
Außenseiten haben es an sich, blind für die Innenseiten zu sein. Doch manchmal öffnen sich die Fenster in die Welt und lassen die Außenseiten erkennen, dass es ein „in“ und ein „out“ gibt. Dann erst begreifen sie, dass sie nur am Rande Teil des Ganzen sind. Sie sehnen sich plötzlich danach, in der Mitte aufgenommen zu werden. Doch dazu müssten sie den langweiligen Normen folgen, die einfach alles glatt bügeln. Zweifel kommen auf: Sollen sie sich um 180% drehen, nur um so zu sein wie all die Innenseiten? Und was ist, wenn der nächste Crash kommt und der Knitterlook plötzlich wieder modern wird?
Moden kommen und gehen, aber die Fassade ist mehr als nur Schein.
Eines Tages träumte das Mädchen, es wäre ein Fußboden. Da wachte es ganz betreten auf und war traurig. Trotz der tragenden Größe war so ein Fußboden doch arm dran. Nur auf einem Fußabstreifer wurde wohl noch mehr herumgetrampelt.
Das Kind wurde größer und suchte nach Vorbildern. Erst spät erkannte es, dass niemand vollkommen war. Viele Menschen haben gute Seiten, die Halt und Orientierung bieten, aber trotz dieser Wegweiser muss doch jeder für sich selbst den richtigen Weg finden.
Die Schultasche mit dem Brief wurde eines Tages in die Ecke gestellt und nicht mehr benötigt. An diesem Tag war das Mädchen glücklich und stolz und sah abenteuerlustig vom hohen Roß in die Zukunft. Aber irgendwann musste es auch wieder von seinem geliebten „Einskommanull“ absteigen, denn das Pferd war alt und gleichgültig geworden und konnte das Mädchen nicht mehr weiter tragen.
Seine Zukunft folgte keiner glasklaren Logik, wie sie bei den Vulkaniern vorherrschte. Eine spitzohrige Spezies, deren große Verehrerin das Mädchen schon in frühen Jahren war. Um die OS-Abenteuer nachmittags wieder verfolgen zu können, hatte sie einmal sogar eine Petition gestartet, die sie schulbekannt (und weithin belächelt) und dem öffentlichen Rundfunksender verdächtig machte.
Während in den unendlichen Weiten des Weltraums nach neuem Leben geforscht wurde, bewies America, dass in den immergrünen Wäldern die letzten Einhörner lebten. Ihr zarter Körper, das leuchtende Weiß (nein, die echten sind nicht prinzessinnen-zuckerlrosa!), das spitze Horn, die kämpferische Natur, ihr „I’m alive!“-Gewiehere machen diese außergewöhnlichen Tiere jedoch zu schwierigen Haustieren. Schwieriger zu halten als z.B. Hamster oder sogar Katzen, wobei letztere bekanntlich nicht zu den Haustieren im engeren Sinne zählen, sondern zur Gattung „Hausherr mit Personal“. Dem Mädchen wurde immer das Herz schwer, wenn ein Tier aus seiner natürlichen Umgebung herausgerissen wurde. Daher fügte es seinen bescheidenen Wunschlisten ans Christkind niemals die Bitte um ein Einhorn hinzu, jedoch des öfteren den um einen Tricorder, einen voll funktionstauglichen Phaser oder zumindest ein 3D-Schachspiel.
Langsam wuchs das Mädchen zu einer hübschen jungen Frau heran. Von den 11 Fragen des Kettenbriefes waren nur noch 2 bei ihr geblieben, die anderen hatten sich in alle Winde zerstreut, noch immer auf der Suche nach jener ominösen Herrscherin über die Ghostreiterinnen.
Die Zeit war gekommen, die Gegend um den dunklen, steinigen Wald zu verlassen und in die Welt hinaus zu ziehen. Die junge Frau packte ihr Köfferlein. Da fiel ihr ein Buch aus Kindertagen in die Hände, „Griechische Götter- und Heldensagen„. In Erinnerungen schwelgend blätterte sie darin und sinnierte darüber, welche Gottheit sie wohl selbst gerne wäre. Unter den Frauen des Olymp schloss sie getrost Persephone als Unterwelt- und Fruchtbarkeitsgöttin aus, ebenso Demeter, die Göttin des Ackerbaus, gleichfalls eine Fruchtbarkeitsgöttin. Kinder wie Sand am Meer, eine Kleidergröße wie Maria Theresia – das jagte ihr kalte Schauer über den Rücken. Nein, das hatte noch Zeit, viel Zeit. Für Aphrodite war sie nicht schön, eitel und oberflächlich genug. Athene! Jawohl! Weisheit, Strategie, Kampf & Kunst in einer Person. Die ideale Göttin ward gefunden.
Dieser erleuchtende Moment wurde jäh unterbrochen durch das nagende Geräusch einer kleinen Steinlaus. Die junge Frau holte entzückt ihre Lupe, um den seltenen Plagegeist näher zu betrachten. Die letzen zwei Fragen schlichen angewidert davon. Wo würden sie nur jemals jene finden, die behauptete, ihr Name sei Mama?
Jahre später war aus der jungen eine Frau im besten Alter geworden. Eines Tages öffnete sie ihren Laptop und fing an zu schreiben. Wild hämmerte sie in die Tasten. Als sie sich schließlich erschöpft in den Sessel zurücksinken ließ, überlegte sie eine Weile. Statt einer Unterschrift setzte sie schließlich die Worte „Mein Name sei Mama“ ans Zeilenende, womit sich der Kreis wieder schließt.
Die Fragen zur aktuellen Stunde
Und wer es nicht schon herauslesen konnte, hier sind die Fragen, die vom Zeilenende liebenswürdigerweise an mich weitergereicht wurden. Übrigens mit der Bemerkung, dass er mich zu den „sechs größten Nerds unter seinen Followern“ zählen würde! So ein charmantes Kompliment habe ich schon lange nicht mehr bekommen – auch dafür: herzlichen Dank! 😉
- Welche Superheldenfähigkeit hättest du gerne?
- Gibt es etwas im Leben, das du bereust?
- Wie würdest du dich stylen, wenn es keine gesellschaftlichen Normen und „Vorgaben“ gäbe? Oder bist du da jetzt schon so frei?
- Du bist ein Fußboden. Wie fühlst du dich dabei?
- Hast du ein Vorbild? Wenn ja, welches?
- Bist du stolz auf dich?
- Welche spitzohrigen, fiktiven Wesen sind dir am liebsten?
- Stell dir vor, es gibt Einhörner. Würdest du eins besitzen wollen?
- Welches Geek-Artefakt würdest du gerne besitzen?
- Welche griechische Gottheit wärst du am liebsten?
- Was ist dein Lieblingsparasit?
Fortsetzung folgt …
Ob die 11 Fragen neue Freunde gefunden haben, wohin sie weiter reisen und welche Abenteuer das kleine Mädchen sonst noch erlebte, das alles erfahrt ihr das nächste Mal, wenn es wieder heißt „Zeit für eine Frage- und Märchenstunde“ …
¹ Solche Tests sind ja fraglicher Natur in zweifacher Hinsicht und mit Vorsicht zu genießen, aber vielleicht beweisen sie schon alleine durch die Teilnahme, dass man ein bisschen Nerd/Geek/Dork ist? Na ja, mir ist es egal, ich habe schließlich einen „Outcast Genius“ Score 😉
Du hast dich selbst gefunden, ohne Eulen nach Athen zu tragen. Eine runde Geschichte, aber ohne die dir eigene Tragik. Unrund rund, es sei denn deine Gedanken kreisen anders. — Dein Sinn für Humor und Komplexität ist außergewöhnlich.
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Vielen Dank für das außergewöhnliche Kompliment 🙂
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Genial. Sehr spannend, deine Variationen über elf Themen, die allesamt nicht nach einer Zeile verendet sind. Und dabei noch so kunstvoll zu einer Geschichte verbacken, die so schön abgerundet ist, dass es sogar einem zeilenendenschen Kuchen vor Neid die Beerenröte ins Gesicht treiben würde. 🙂
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Vielen Dank! Ich wollte mich kurz fassen und wenn ich bei jeder Frage erst einmal ausgeholt hätte, wie ich es gerne zu tun pflege, wäre es wohl ein mehrbändiger Wälzer geworden 😉
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Die Wälzerkönigin. Ausufernde Variationen im 11/8-Takt. Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit gewesen. 🙂
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Oh … Immer wenn du Geschichten schreibst, bin ich gebannt. Uns ich habe tatsächlich einen Augenblick gebraucht, um zu veratehen, dass du meine Fragen beantwortest. Ich denke, das ist ein gutes Kompliment, oder? Ich war immerhin gebannt. Vielen Dank! 🙂
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🙂
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