Sogar Unterhemden können inspirieren. Und es kommt nicht immer auf den Inhalt an, manchmal würde man auf den nämlich lieber verzichten, ein andermal aber betrachtet man ihn schmachtend und knallvergnügt. Und noch ein weiteres Mal habe ich die drei Wörter von Anna-Lena (visitenkartemyblog.wordpress.com) für die abc-Etüden in eine Geschichte in 10 Sätzen verpackt. Die Illustration ist von Herrn lz.
Auf sein Unterhemd wollte er nicht verzichten, obwohl keiner der anderen Jungs mehr eines trug. Man konnte die Konturen der Träger unter dem T-Shirt sehen und wo es sich in seine Achseln einschnitt.
Die weißen Unterhemden, die seine Mutter kaufte, hätten vielleicht noch halbwegs akzeptabel an ihm ausgesehen, hätte er doch bloß durchtrainierte Bauch-und Brustmuskeln gehabt. Leider hatte er aber nur einen Bauch und sogar eine Brust, die größer war als jene mancher Mädchen in seinem Alter.
Unbeirrt von den dummen Sprüchen der anderen – und es waren nicht nur die Jungs, die vor allem beim Sport Witze über ihn machten, auch die Mädchen warfen sich vielsagende Blicke zu oder kicherten, wenn er nur das Klassenzimmer betrat – zog er jeden Morgen ein weißes Unterhemd unter seinem T-Shirt an und strickte beides artig in den Bund seiner braunen Cordhose.
Alles an ihm war unjugendlich und uncool.
Trotzdem ging er jeden Morgen knallvergnügt aus dem Haus und freute sich auf die Schule.
„Thomas ist Thomas, anders aber liebenswürdig“ erklärte seine Mutter mit einem Augenzwinkern wieder und wieder, wenn sich Bekannte nach Thomas erkundigten. Aber wenn sie zu Hause war und seine Unterhemden und T-Shirts bügelte während er mit einem unbesorgten Lächeln über einem seiner vielen Bücher saß, machte sie sich große Sorgen um ihren Sohn und was wohl einmal aus ihm werden würde.
Du bist verrückt, mein Kind, du musst nach Berlin/Wo die Verrückten sind, da gehörst du hin Hat mein Vater früher manchmal gesungen wenn ich die Haarspange mit dem Quietsche-Dinosaurier getragen habe als Kind (hatte meine Patentante mir geschenkt „voll ausgewachsenes“ Quietschtier auf Zopfspange montiert). Ich muss gerade daran denken weil Thomas in Berlin sicher in einigen Stadtteilen gar nicht unjugendlich und uncool wäre, sondern ziemlich das Gegenteil, da total Hipster. Vielleicht kann er ein Büchercafe mit veganem Kuchen eröffnen.
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Ja, das verstehe ich gut. Und sie wird sich auch fragen, ob sie etwas hätte machen können oder müssen.
Nachdenkliche Grüße
Christiane
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