Jedes Jahr wieder der Anspruch auf das perfekte Fest mit der perfekten Familie. Woher kommt das nur? Werfen wir doch einen kurzen Blick auf die heilige Familie und den ersten Weihnachtsabend vor rund 2000 Jahren:
Nachdem sich Maria und Josef gefunden hatten, erklärte sie ihm eines Tages, dass sie schwanger sei. Welch glückseliger Moment für die werdenden Eltern!
Allerdings wurde Josef rasch klar, dass sein Beitrag zur Familiengründung überschaubar klein blieb, ihm letztendlich nur die Rolle eines Statisten zufiel. Denn Gott höchstpersönlich hatte sich eingebracht, um das Wunder „wahrer Mensch und wahrer Gott“ in seinem Sohn zu vollbringen (da stinkt das mancherorts umstrittene Konzept von Doppelstaatsbürgerschaften dagegen völlig ab!). Ein Engel konnte dies bezeugen. Maria wurde als Jungfrau zur Mutter.
Perfekt?
Ansichtssache.
Kurz vor der Geburt mussten sich die beiden auch noch auf eine lange, beschwerliche Reise machen und nein, sie konnten noch nicht auf Nachtreisebusse oder Flugzeuge mit Liegesitzen zurückgreifen.
Und hatte der gute Josef ein Zimmer reserviert in Betlehem? Wie jedes Kind spätestens ab dem ersten Krippenspiel weiß: Nein!
Eine Hochschwangere kommt abends in einer fremden Stadt an, ihr Mann kann noch nicht einmal eine Schlafstätte mit einem Stern auftreiben. Die beiden quartieren sich in einem Kuhstall ein. Wer Frauen kennt, bekommt langsam eine Ahnung davon, wie jener Abend vor der Geburt tatsächlich verlaufen sein mag:
„Ein Kuhstall?! Ein Kuhstall?! Weißt du noch, was Gabriel sagte: Sohn Gottes soll er genannt werden. Hast du schon einmal von einem Gott gehört, dessen Mutter in einem Kuhstall schlafen musste?!“ – „Aber das Stroh ist ganz frisch und es stehen nur ein Ochs und ein Esel darin, also es ist ja noch nicht einmal ein richtiger Kuhstall …“ – „Ich bin mir sicher, Ochs und Esel werden sich über die Gesellschaft eines weiteren Esel sehr freuen! Oder sollte ich besser sagen: Eines zweiten Ochsen?!“
Josef grummelt etwas, was vom anwesenden Evangelisten jedoch aus Jugendschutzgründen nicht schriftlich für die Nachwelt festgehalten wurde.
Wer die Stimmungshochschaubahnen schwangerer Frauen schon erleben durfte, weiß längst Bescheid. Josef hatte an diesem Abend wohl nicht viel zu lachen.
Dabei muss man Maria verstehen: Eine Geburt mit Hebamme in einem modernen Kreissaal ist schon eine Herausforderung, aber in einem kalten Stall. Ich will mir das gar nicht ausmalen.
Die ganze Szene ist so weit entfernt von perfekt wie der Stern von den heiligen drei Königen, die bald schon beim vermeintlichen König auftauchen. Die Geschenke, die sie mitbrachten lassen ehrlich gesagt auch zu wünschen übrig. Ein Strampler, ein paar weiche Decken und ein bequemer Stillstuhl für die Mutter wären wesentlich praktischer gewesen. Aber Gold, Weihrauch und Myrrhe? Gerade einmal das letzte war aus medizinischer Sicht vielleicht ganz hilfreich und Gold war schon immer als Wertanlage gegen Inflation von unschätzbarem Wert. Der Weihrauch aber so ganz ohne Kassenzettel für den Umtausch kann gerade mal als gutgemeint angesehen werden.
Perfekt ist vermutlich nicht das richtige Wort für die erste Weihnacht. Vielleicht sollten auch wir uns daher damit zufrieden geben, wenn wir gesund und miteinander das Weihnachtsfest feiern dürfen – ausgesöhnt mit uns selbst und unseren Lieben, denn ich bin mir sicher, als Maria Jesus endlich im Arm hielt, da konnte sie auch Josef so manches verzeihen, wofür er eigentlich gar nichts konnte.
Interessant, so ähnlich sieht ja auch in der Verfilmung der Weihnachtsgeschichte vom Radiosender 1Live aus. Frohe Weihnachten trotzdem 😉
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Nachdem ich seit Jahren nicht mehr TV schaue, kenne ich die Verfilmung leider nicht und den Sender auch nicht 🙂 Fernsehfreie Weihnachten – auch schön 😉
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Interessante Gedanken hast du da. Ich würde ja frech behaupten, du hast von mir abgeschrieben, aber meine Geschichte mit ähnlichen Gedankengängen geht erst morgen online und nein, ich habe nicht von dir abgeschrieben, falls sich meine Mutmaßung als Bumerang erweisen sollte. 😂
Mütter sehen die erste Weihnacht offenbar nüchterner. Also dann lass uns entspannt in die Weihnachtsfeiertage gehen. 🙂
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