Wird die Welt friedlicher, wenn es keine Schusswaffen mehr gibt? Bis jetzt erschien mir der Gedanke ganz naheliegend. Angebot schafft ja bekanntlich Nachfrage und Schusswaffen werden gewöhnlich nicht nur dazu verwendet, um auf Spatzen zu schießen (wobei ich es übrigens ausgesprochen verwerflich finde, wenn jemand den Piepmätzen mit Schrot an den Kragen möchte!)
Tante Tex hat beim letzten Story-Samstag vor der Sommerpause dazu aufgerufen, sich eine Szene ohne Schusswaffen vorzustellen. Gewöhnlich ist dies kein Problem für mich. Ich denke, dass in allen meinen bisherigen Artikeln (mit einer einzigen Ausnahme) keine Pistole, kein Gewehr, keine Kanone oder Rakete vorkam. Und jetzt? Jetzt dürfen sie nicht vorkommen und das Erschreckendste daran ist, dass mir viele Szenen einfallen, aber alle sind voller Gewalt!
Sprengstoff würde ich bei einem weltweiten Schusswaffenverbot übrigens auch ausnehmen, denn wenn es schon kein Schwarzpulver in den Läufen der Kurz- und Langwaffen gibt, dann auch sonst nirgends.
Nun denn, es ist Sommer, Zeit sich in südlichere Gefilde zu begeben, wo die Sonne noch ein bisschen heißer scheint, aber vielleicht das Meer etwas Abkühlung bietet. Nach dieser langen Einleitung nun endlich die Szene:
Wir reisen gedanklich nach Italien oder auch Mexiko, auf jeden Fall in ein Land, in dem Familienbande noch etwas gelten. Sehr viel sogar: Familienclans halten zusammen, solange es dasselbe Blut ist und opportun erscheint.
Ein Abend unter Freunden
Der Großvater saß in seinem Schaukelstuhl und beobachtete aus wässrigen Augen die Gesellschaft am Tisch. Die Alcaponis waren gekommen, um endlich das alte Kriegsbeil zu begraben. Durch den Zusammenschluss sollten beide Clans mehr Macht bekommen und „Synergien gehoben werden“.
Verächtlich spuckte er auf den Boden. Zu seiner Zeit hätte man die Alcaponis mit Gewehrsalven begrüßt. Ha, das wäre ein Gemetzel gewesen und am Ende hätte seine Familie alles für sich gehabt. Synergien – so ein neumodischer Blödsinn. Aber zu seiner Zeit war noch vieles anders. Vor allem hatte jeder Mafioso, der etwas auf sich hielt, noch mindestens eine Knarre einstecken und zu Treffen erschien man immer mit Maschinenpistolen auf der Rückbank. Ach, die gute alte Zeit! Jetzt gab es keine Schusswaffen mehr. Nicht einmal mehr illegal waren sie zu bekommen. Stattdessen wurde geredet und verhandelt und … Ach, es waren traurige Zeiten. Und so viel schwieriger! Zur Bestrafung gab es keine Kugel mehr zwischen die Augen oder auch mal ins Knie, wenn es nur ein Denkzettel sein sollte. Nein, da musste auf die Betonpatscherl zurückgegriffen werden. Das war immer eine Schweinerei und das Gejammere der frisch Beschuhten! Früher waren die Männer härter im Nehmen und Ehre galt noch etwas.
Neulich erst musste er seinen eigenen Neffen daran erinnern, dass das Stehlen von der eigenen Familie ein absolutes Tabu ist. Also musste er den Kerl ent- und dann vorführen lassen. Dazu brauchte er zwei seiner loyalsten Schläger. Als hätten sie nicht genug Arbeit, mit denen, die kein Schutzgeld zahlten, mussten sie seinen Neffen nachts vor dem Haus abpassen, als er von der Pizzeria nach Hause kam. Dann hat sich der Großvater den Zahnarztbohrer seines Cousins geliehen. Der Bohrer war wohl sogar noch älter als die beiden alten Herren zusammen und schon ein bisschen stumpf und rostig, aber er hat seinen Zweck erfüllt. Der Neffe beklaut die eigenen Brüder sicher nie wieder. Und feste Nahrung gibt es für ihn erst wieder, wenn er sich ein drittes Gebiss hat machen lassen.
Der Großvater grinste bei dem Gedanken und lehnte sich in seinem Schaukelstuhl zurück. Das Schöne an den Zeiten ohne Pistole und MG war die Kreativität, die wieder auflebte, um Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Schüsse färben alles nur rot, die Fantasie aber treibt bunte Blüten.
Back to the roots. Endlich wieder wahre Handarbeit.:-)
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Gewalt ohne Waffen – geht auch 😉
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