Holz ist etwas Wunderbares. Am liebsten ist es mir ja als glücklicher Baum, freiwachsend, schattenspendend, in faszinierender Vielfalt vorkommend.
Aber auch im Haus ist es meist schön anzusehen und von größter Nützlichkeit: Als nachwachsender Baustoff, der für Behaglichkeit und Wärme sorgt. Letzteres nicht nur, wenn er verheizt wird, sondern auch in Gestalt von Gitterbetten und heimeligen Holzböden.
Ich stehe oft noch minutenlang, nachdem meine kleine Z eingeschlafen ist, vor ihrem Bettchen: Babies (und Kinder, vor allem kleine Kinder) sehen so friedlich aus, wenn sie schlafen. Ganz still liegen sie da, atmen gleichmässig, sind endlich zur Ruhe gekommen. Richtig süß, soooo süß!
Aber, unter uns gesagt, das ist mir in diesen abendlichen Stunden eigentlich völlig egal. Was mich nämlich am Gitterbett wirklich festnagelt, ist die nackte Panik. Das Wissen, dass der Boden unter meinen Füßen knarren wird, sobald ich einen Schritt wage, treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn. Da hat man sich eine gefühlte Ewigkeit geplagt, dass das Kind endlich einschläft und dann – knarrrz! – und alle Mühe war vergebens!
Während also der Schweiß von der Stirn in meine Augen tropft, die völlig übermüdet sind und sich danach sehnen auch endlich schlafen gehen zu dürfen, rattert in meinem, bereits im Stand-by-Betrieb befindlichen Hirn immer dieselbe Frage:
Wie komme ich jetzt aus dem Zimmer und endlich zu meinem Bett?
Ich warte also ab, bevor ich es wage, mich zu rühren. „Knacks, knarrz!“ Das Baby rührt sich! Ich erstarre in einer Position, die unbequemer nicht sein könnte und mir in einer Partie Twister sicherlich Bonuspunkte einbringen würde. Und in meinem Kopf schreit eine weinerliche Stimme:
„Nein, bitte nicht aufwachen! Bitte, schlaf weiter!“
Ich warte wieder eine Weile ab. Meine Rückenmuskulatur hat sich längst zu einem gordischen Knoten verkrampft und ein Bein ist dabei, einzuschlafen. Etwas, worum ich es fast beneiden würde, wäre da nicht das lästige Kribbeln und die unangenehme Taubheit.
Abwarten schafft definitiv neue Probleme, weil meine alten, morschen Knochen offensichtlich innerhalb von Sekunden einrosten. Irgendwann, wenn ich meinen Körper eigentlich schon gar nicht mehr fühle, traue ich mich dann, den nächsten Schritt Richtung Türe zu machen. Doch nun knarrt und knackt nicht nur der Holzboden unter mir, sondern meine Gelenke rattern wie Knallkörper!
Ganz toll! Super!
In Gedanken verfluche ich denjenigen, der hier ein schwimmendes Parkett verlegt hat und sehne mich nach kühlem, unpersönlichen Stahlbeton mit 80er Jahre feeling PVC Boden darauf.
Nach einer halben Ewigkeit und eventuellen „Zurück an den Start“-Mühen habe ich es endlich aus dem Zimmer hinaus geschafft. Jetzt kommt nur noch die alte Holztreppe …
Manchmal tröste ich mich damit, dass auch meine Töchter dereinst ihre Freude mit dem Holzboden haben werden.
Fast forward ins Jahr 2030:
Es ist lange nach Mitternacht. Die ewig junge Mama ist bereits krank vor Sorge, weil die beiden Teenies noch immer nicht nach Hause gekommen sind, obwohl 24 Uhr als „Schluß mit lustig“ vereinbart war. Und jetzt komme mir bloß niemand mit „Aber wir haben nicht gesagt an welchem Tag – Hoho!“
Mama hat sich also bangend hingelegt, weil sie im Stehen oder Sitzen so ungern schläft. Da plötzlich: Ein widerliches „Knarrrrrz!“ Sofort schlußfolgert die geschulte Mutterohr-Hirnleitung, dass da gerade zwei Jugendliche vergeblich versuchen leise in ihre Zimmer zu schleichen.
Und während die nun hellwache Mama denkt
„Ha! Danke, guter, alter Holzboden!“,
zischen die Teenies so etwas Ähnliches wie
„Holz wie ‚Hol’s der Kuckuck, das Zeug!‘ “
ins Dunkel der Nacht.
„… Form von Gitterbetten und heimeligen Holzböden.“
Nicht um dich zu beunruhigen, Em, aber das heißt richtig „Gestalt von Gitterbetten“. Du wirst knarrzig. Harzig und herzig kamen auch nicht vor.
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Danke für den Hinweis, das muss ich gleich ausbessern …
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Hm. Ist dein Text dadurch weniger wie ein Baum, künstlicher geworden?
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ich glaube den Eingriff hat er verkraftet 😉 Es war mehr so eine Art Baumpflege
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Ich hatte angesetzt zu sagen, dass deine Texte in Schönheit wachsen. Das wäre allein stehend zu pathetisch. Der Punkt ist, wie du schreibst hat viel Eleganz. Kleine Mäkel heben das nur hervor, und machen deine Texte nahbarer. Lass dich nicht zu sehr beeinflussen, Baumpflegerin.
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Danke! Ich gehe schon irgendwie meinen Weg 😉
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Da hast du aber ein pflegeleichtes Kind. Gerüchten zufolge bin ich stets zum Niederlegen in meinem Kinderbett wieder wachgeworden und habe auf erneute Bespaßung bestanden. Da wäre knarzender Holzboden also okay gewesen … Aber besser macht es das auch nicht, oder? *g*
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Ich muss deiner Mutter einmal eine nette Karte schicken und fragen, wie sie diese Zeit überstanden hat. Und v.a. was sie zur Nervenberuhigung unter- (Yoga, Kickboxen?) oder ge-nommen hat (Schokolade, noch mehr Schokolade?)
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Babytragetuch und das kleine Zeilenende so lange herumgetragen, bis sie das Gefühl hatte, es sei wieder ein Teil ihres eigenen Körpers geworden. Dann ist das schreiende Kind nur noch halb so schlimm. *gg*
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Wow! Du hast eine fantastische Mutter, großes Kompliment!
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Uuh! Wir haben so eine Treppenstufe. Inzwischen mache ich automatisch fast immer einen großen Schritt drüber hinweg – obwohl meine Kinder längst aus dem Alter hinaus sind, indem es eine Rolle spielt, aber jahrelanges Training hinterlässt seine Spuren 😂!
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Ich schwinge mich am Treppengeländer so weit wie möglich nach unten, das spart so 7 bis 8 Stufen und potentielle Lärmquellen. Und den Kindern predige ich immer: Festhalten, schauen, jede Stufe einzeln nehmen 😉
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Herrlich. Ich dachte an Holz und fragte mich, ob da jetzt eine wissenschaftliche Abhandlung kommt. Aber wie man es von dir gewöhnt ist, schlägst du einen Bogen zu ganz anderen Dingen. Und auch mir kamen da so ein paar Erinnerungen zurück. Aber auf die Heimkömmlinge in ein bis zwei Jahren freue ich mich auch schon. Knarz….😎😂danke für deinen tollen Beitrag
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Gerne! 🙂
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Das Lied kommt mir sehr bekannt vor. Besonders hinterhältig finde ich dabei, dass sich das Gefüge mit der Zeit verändert und ganz unvorhersehbar an einstmals sicheren Stellen ein erschröckentliches Knarzen erschallt. Oder man hat eine Stelle glücklich passiert – und wenn man schon zwei Meter weiter ist hört man von einer zuvor betretenen Stelle ein lautes „Tock!“
Anderseits hat der Holzboden eben schon seine wohnlich-sympathischen Seiten. Ich habe den direkten Vergleich Laminat/Holz beim letzten Umzug erlebt. Und ich würde den Holzboden heute nicht mehr missen wollen.
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Man könnte wahrlich eine Wissenschaft daraus machen, oder vielleicht lernt man so etwas tatsächlich in dem einen oder anderen Studienfach, denn je nach Wetter (heiß+schwül, kalt+regnerisch, heiß+trocken, kalt+windig) knarrt es mal hier mal da und dazwischen liegt irgendwo ein spitzes Bauklötzchen oder ein Quietschentchen!
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Möglicherweise gehört die Wetterfühligkeit eines Holzbodens – zumindest ansatzweise – zum Studienstoff von Bauphysikern. Zumindest, wie eben Baustoffe auf Veränderungen in Temperatur und Luftfeuchtigkeit reagieren.
Die wie von Geisterhänden verteilten Gegenstände – da bewegen wir uns wohl schon eher im Reich der Metaphysik. 😉
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Ha, kenn ich! Wir haben auch mal im Altbau gewohnt. Hab schon ganz vergessen, wir ich immer Riesenschritte aus dem Kinderzimmer gemacht und mir die Dielen gemerkt habe, die besonders arg geknarzt haben.
Erst jetzt erkenne ich die Vorteile des weit weniger heimeligen Laminats…
Liebe Grüße
Andrea
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