Es gibt viele Listen: Einkaufslisten, To-do-Listen, verkettete Listen in Programmen, watchlists etc.

Und dann gibt es die eine Liste, die meine Versicherung führt.

Auf der stehe ich drauf.

Jawohl, das wurde mir nun offiziell schon mehrfach bestätigt. Die Liste der unbetreuten Ratenzahler. Letztere halten sich so lange für betreut und halbwegs vernünftig versichert bis sie erfahren, dass sie zumindest ersteres nicht sind und auf eben jener ominösen Liste stehen.

Wer im Februar schon mitgelesen hat oder ein anderes Mal über „Hugos Haustiere und die Versicherung“ gestolpert ist, weiß bereits, dass das Verhältnis zwischen der Versicherung meines Vertrauens und mir nur noch als ein (nicht so harmonisches) Aneinandergekettetsein bezeichnet werden kann.

Den Zusatz „meines Vertrauens“ habe ich nun definitiv gestrichen: also die Versicherung meines Vertrauens des Schreckens und ich, wir können menschlich nicht so gut miteinander. Für ein rein funktionales Arbeitsverhältnis ist das auch gar nicht unbedingt notwendig, es wäre hilfreich, aber kein Muss.

Nun ist vor kurzem zu meinem 3-Akter noch ein weiterer Akt hinzugekommen. Wie es sich für ein abgerundetes Drama gehört, wird diese Geschichte wohl letztendlich nicht als 4-Akter, sondern mit der obligatorischen Katastrophe (wahrscheinlich) oder Katharsis (der derzeit offenbar völlig unmöglichen Löschung meines Namens von der Liste) enden.

Aber im Detail

Was zuletzt geschah

[„Desperate Housewives“ Gefühle stellen sich bei mir ein …]

Im 3. Akt (der Ende letzten Jahres spielte) erhielt ich zunächst wieder einen Anruf von der Versicherung. Mein neuer Betreuer stellte sich bei mir vor und wir trafen uns zur Aktualisierung aller Daten und blablabla. Ein paar Wochen später (3. Akt, Szene 2) merkte ich, dass das 2-stündige Gespräch IT-mäßig im Nirvana geendet hatte. Alle Änderungen waren entweder dem Versehen, dem Unvermögen oder der Nachlässigkeit des Betreuers zum Opfer gefallen, oder aber durch ein System-Update verloren gegangen. Wer weiß das schon.

Ich war es leid, Nachforschungen anzustellen, nachdem ich erfahren hatte, dass die wesentlichste Änderung an der Versicherungspolizze, die ich auf Empfehlung des jungen Mannes durchgeführt hatte, also genau genommen, hatte wollen (denn sie war ja nicht im EDV-System angekommen), ohnedies in meinem Fall nicht greifen würde.

So nun zu dem

4. Akt

Szene 1

Vor ein paar Wochen klingelte mein Telefon, oder vielmehr es vibrierte stumm und unbeachtet vor sich hin, da ich mich gerade nicht in demselben Raum wie mein hochgeschätztes mobile device aufhielt. Als ich seiner wieder ansichtig wurde, gab es mir durch ein schüchternes Blinken zu verstehen, dass ein anderer Mensch vergeblich versucht hatte, mich zu kontaktieren.

Da läuten bei mir immer die Alarmglocken. Im übertragenen Sinne – sonst würde ich es ja schon hören, wenn jemand anruft. Persönliche Anrufe bekommt man, also ich zumindest, gar nicht mehr so oft. Wenn es dann also einmal so weit ist, und noch dazu von einer unbekannten Nummer, macht sich mein Adrenalin startklar: es kann sich nur um einen meine Alltagsruhe (ver)störenden Anruf (Umfrage, Spendenaufruf) oder um etwas Außergewöhnliches, meistens jedenfalls nichts Gutes handeln.

Ich rief die Nummer zurück und in der Warteschleife angekommen, erfuhr ich von einer sympathischen, weiblichen Tonbandstimme, dass ich bei der Versicherungsgesellschaft gelandet war. Nun muss ich hinzufügen, dass ich aufgrund von Bequemlichkeit und einem sonst verfallenden Bonussystem erst vor kurzem dort eine neue Versicherung abgeschlossen hatte bzw. hatte lassen. Ja, so bin ich nun einmal: Ich stehe treu zu ihr, nicht nur in guten, sondern auch an den schlechten Tagen, oder so ähnlich.

In der Befürchtung, es könnte etwas mit meiner neuen Polizze nicht in Ordnung sein, wartete ich also geduldig, bis ein echter Mensch am anderen Ende der Leitung abhob. Noch bevor ich mir ausgemalt hatte, welche Daten wohl noch fehlten oder was ich im Kleingedruckten überlesen haben könnte, meldete sich eine Dame.

Sie erklärte mir – und ich darf aus meinem alten Blogbeitrag zitieren, denn die bei der Versicherung dürften auch von einer 0815-Textvorlage ablesen, sobald ihnen ein argloses, unachtsames Reh vor die Flinte läuft, nein, Quatsch, sobald ein eigentlich mündiger Bürger so dumm ist, ans Telefon zu gehen oder – der Gipfel der Naivität – von sich aus zurückruft:

Ich stünde auf einer Liste unbetreuter Kunden. Er würde sich gerne mit mir meine Versicherungen anschauen, alles auf den aktuellsten Stand bringen und sich damit gleich als neuer Betreuer vorstellen.

Das waren ihre Worte, sinngemäß wiedergegeben.

Sogar das Personalpronomen („er“ statt „sie“) trifft zu. Es war nämlich so, dass die gute Versicherungsangestellte gar nicht für sich selbst anrief, sondern für ihren Azubi. Offenbar hatte er zwar noch keine Telefonier-, aber bereits die Kundenbetreuungserlaubnis. Für letzteres benötigt man ja auch bedeutend weniger Erfahrung und Sachkenntnisse als dafür, ein Telefon ans Ohr zu halten und gleichzeitig Termine in einem Kalender einzutragen.

Im Klartext: Bei der Versicherungsgesellschaft meines Schreckens gab es wieder einmal einen neuen Mitarbeiter. Dieser brauchte nun einen Kundenstock. Also, Frauen und Kinder zuerst! Da letztere aber bekanntlich gesetzlich noch nicht handlungsfähig sind und bei ihnen aufgeschwatzten Vertragsabschlüssen höchstens den Volksanwalt und lästige Journalisten auf den Plan rufen würden, erst einmal die Hausfrauen und Pensionisten der Reihe nach abklappern, die sind auch tagsüber erreichbar.

Ich stutzte.

Dann platzte mir der Kragen und ich erklärte der Dame kurz, was ich Ende des Jahres erlebt hatte und wie verärgert ich war. Die Mitarbeiterin ließ sich so schnell aber gar nicht abschütteln. Ich vermute, in diesem Beruf muss man zu Beginn sowieso Kurse á la „Hartnäckigkeit für Fortgeschrittene“ und „Den Kunden durch das Telefon über den Tisch ziehen – Verkaufsakrobatik 101“ absolvieren.

Sie beteuerte, vollstes Verständnis für meinen Ärger zu haben. Es gäbe aber gerade eine tolle Aktion, bei der ich sozusagen gratis ein Upgrade meines Versicherungsschutzes bekommen könnte, und dass wäre ja der eigentliche Grund ihres Anrufes.

Nachdem ich mich schon ausreichend echauffiert hatte und vom Schimpfen noch außer Atem war, hörte ich mir das an und willigte schließlich ein, es noch ein letztes Mal zu versuchen – mit meinem neuesten Betreuer. [Wenn ich das hier selbst lese, muss ich an dieser Stelle unweigerlich an Süchtige denken, die hoch und heilig versprechen, es wäre jetzt aber das allerletzte Glas, die letzte Zigarette etc. Danach wäre auf jeden Fall Schluß! Bin ich süchtig, nach – äh? – neuen Versicherungsbetreuern, durchschaubaren Verkaufsgesprächen?!]

Die „Versicherungsdame“: „Sehr gut. Wann geht es bei ihnen morgen?“

Ich, überrascht: „Äh, morgen geht es bei mir gar nicht.“

Die „Versicherungsdame“ ebenfalls überrascht: „Aha. Dann übermorgen. Sagen wir um …“

Ich, kurz überlegend: „Nein, übermorgen ist auch schlecht. Nächste Woche wäre es möglich …“

Die „Versicherungsdame“ bereits etwas genervt, weil ich es wagte, mich in den Terminvereinbarungsprozess einzubringen, statt Datum und Uhrzeit einfach widerspruchslos zu notieren und dafür zu sorgen, dass ich zu ihrem Wunschtermin verfügbar wäre: „Dann gleich am Montag!“ [schnippischer, sehr bestimmender Ton]

Wir einigten uns schließlich auf eine Uhrzeit und sie war sicher froh, sich anderen, noch nicht vergrämten Kunden widmen zu dürfen oder auf Pause zu gehen oder was weiß ich.

So weit, so schlecht – für mein Karma.

In der darauffolgenden Nacht ärgerte ich mich über die Dreistigkeit der Dame und über das Konzept der Versicherung, mir ständig die neuen Mitarbeiter aufschwatzen zu wollen. Im Betreuungsbereich gilt ja nicht unbedingt dasselbe wie bei z.B. bei Smartphones, wo neu für „neuestes, leistungsfähigstes Modell“ und „auf dem neuesten Stand der Technik“ stehen sollte. Die Fluktuation in der Versicherungsgesellschaft dürfte sich dem Eingangsportal ihres neuen Palast ähnlichen Hauptsitzes angepasst haben: eine große Drehtür.

Szene 2 (letzte Szene)

Am nächste Tag rief ich den neuen Mitarbeiter selbst an, seine Für- oder Vorsprecherin war nämlich auf Urlaub, und teilte ihm mit, dass ich doch auf seinen Besuch verzichten würde, weil mich die ganze Sache schon zu viele Stunden ohne Mehrwert gekostet hatte.

Der junge Mann versuchte mich umzustimmen und erklärte mir, dass ich ja von der Liste der unbetreuten Kunden nur dann gestrichen werden könnte, wenn ich den Termin wahrnähme, also er als mein neuer Betreuer würde. Andernfalls dürfte ich wohl auch weiterhin jedes halbe Jahr einen Anruf von der Versicherung erwarten.

Ich lehnte trotzdem dankend ab. Stattdessen schlug ich vor, dass er mir Informationen über das angebliche Verbesserungsangebot für meine alte Polizze gerne zusenden könne. Falls es tatsächlich interessant wäre, würde ich mich für einen persönlichen Termin wieder bei ihm melden. So verblieben wir …

… und …

ich habe bis heute keine Post bekommen!

Epilog

Da ich ganz sicher noch immer auf der Liste stehe, erwarte ich den nächsten Anruf Mitte des Jahres. Dann heißt es wieder:

Hallo Frau Mama!

Hier spricht X von der Y Versicherung. Ich sehe da Ihren Namen auf meiner Liste […]  und würde mich gerne bei Ihnen als neuer Betreuer vorstellen […]