Er, der große Professor Dr. Unkraut war nur noch ein kleiner, hagerer, weißhaariger Mann mit tiefen Falten, aber wachen, hellen Augen. „Knirps“ hatten sie ihn genannt, als er ein Kind war, doch sein Fleiß hatte ihn, zumindest in Fachkreisen, lange Jahre zu einem der ganz Großen gemacht.

Ehrfürchtig hatten die Menschen in überfüllten Hörsälen seinen Vorträgen gelauscht. „Wenn Sie hier ihre Arbeit beginnen, müssen Sie für die Professoren die Vorträge schreiben und ihr Name wird noch nicht einmal genannt werden. Erst, wenn Doktoranden für Sie die Studien durchführen und dafür auch noch dankbar sind, haben Sie es wirklich geschafft, meine Damen und Herren! Notieren Sie sich das!“ Mit diesen Sätzen hatte er stets die Neuen begrüßt und es hatte ihm freundliche Lacher eingebracht.

Er saß schmunzelnd in seinem Sessel. Dann fiel sein Blick auf jene, die sich schon eingefunden hatten und seine Miene verfinsterte sich. Zu ihm kamen nur noch die unwissenden Anfänger in die Stunden. Seine beste Zeit war vorüber.

Er ließ einen seine Augen prüfend über die Anwesenden schweifen. Niemand von diesen Ignoranten würde seine Fragen beantworten können, weil sie alle keine Ahnung und noch viel weniger Respekt vor ihm hatten.

Er räusperte sich.

Es war grotesk. Er, der berühmte Professor Dr. Unkraut musste nicht nur seine Unterlagen selbst zusammenstellen, sondern auch noch sein Lehrstundenkontingent persönlich erfüllen. Seufzend klopfte er mit dem Kugelschreiber an das Wasserglas, das vor ihm am Tisch stand, um Aufmerksamkeit zu bekommen, doch es trat nicht diese gespannte Stille von früher ein, wenn er einen seiner Vorträge begonnen hatte.

Noch ehe er seine schwach gewordene Stimme erheben konnte, kam ein Pfleger zu ihm, legte ihm bemüht geduldig die Hand auf den Unterarm und sagte: „Herr Professor, essen Sie doch bitte einfach und lassen die anderen Patienten in Ruhe, ja?“

doktoranden

Ein Beitrag zu den abc-Etüden mit den Vorgabeworten von Wortgerinnsel