Liebes Tagebuch (am 15. Februar),

heute war ich wieder den ganzen Tag bräsig.

Seit Sonntag muss ich mein Essen pürieren, da mir das Schlucken zunehmend schwerer fällt, aber mein Appetit lässt mich sowieso im Stich und die Kleidung flattert mir um die Knochen, dass ich selbst erschrecke, wenn ich in den Spiegel schaue und mir diese dürre, alte Vogelscheuche entgegenstarrt.


Liebes Tagebuch (am 27. Februar),

heute habe ich die Möbel in den Garten gestellt für den Flohmarkt und abends nach Sonnenuntergang die Sonnenkollektoren mit Steinen zerschossen, denn die Sonne brauche ich nicht mehr. Sie darf ab jetzt ihre Strahlen für sich behalten, genauso wie alle, die ich kenne, zukünftig ihre Meinung für sich behalten dürfen. Meine habe ich ihnen heute zu Mittag  per SMS mitgeteilt, bevor ich mein Handy ins Klo warf.

In meinem Inneren brennt das Feuer der Hölle, welches mich bald umschließen wird, weil es sich langsam, aber unaufhaltsam durch mein Inneres bis zu meinem Herzen frisst und keinen Funken Menschlichkeit in mir zurücklässt.


Liebes Tagebuch (am 1. März),

meine selbst diagnostizierte letale Erkrankung im Endstadium hat sich als akute Gastritis herausgestellt und ist angeblich gut und leicht heilbar. Nun sitze ich hier auf dem eiskalten Fußboden im leergeräumten Haus und das einzige, was mir noch geblieben sind, bist du, der Bleistiftstummel in meiner Hand und ein großer Haufen Scherben überall im Garten verteilt.

Nachtrag: Ich musste heute schon 7 Mal niesen und sogar husten – ich bin mir sicher, das ist keine gewöhnliche Erkältung!

2018_09_2_zwei lz | 365tageasatzaday

Inspiriert von den Wörtern zur dieswöchigen abc-Etüde