Manchmal muss man im Leben grundlegende Entscheidungen treffen: Hund oder Katze, Chinesisch oder doch lieber Pizza, radikale Frisuränderung oder nur Spitzenschneiden, ein Ja vor dem Altar oder jeden Abend ein Ja zu einem anderen – solche Dinge halt. Und auch die Auswahl der Technik, mit der wir uns umgeben, ist keine Sache, die wir auf die leichte Schulter nehmen können. Früher war es vielleicht die Überlegung, ob es das rote oder das grüne Auto werden soll, der Viertel- oder doch gleich ein ganzer Festnetzanschluss. Falls hier jemand mitlesen sollte, der erst in diesem Jahrtausend geboren wurde: Lasst es euch von euren Eltern oder Großeltern erklären, es hat mit der Zeit zwischen den Rauchzeichen und vor Handies und Internet zu tun.

Ich wünschte oft, mein Gewissen ließe es zu, dass ich mir mein Handy einfach nur nach Leistung und Design aussuchen könnte. Aber nein, da juckt es mich dann doch wieder am großen Zeh, und wenn ich hinunter sehe zu meinen Quadratlatschen, frage ich mich, wann ich so einen riesigen ökologischen Fußabdruck bekommen habe.

Also muss ein Kompromiss her, der mich nicht nur auf ein ethisch korrektes Podest hebt, sondern am besten auch noch eine moralische Keule schwingt, wann immer ich mein Handy im Zug, der U-Bahn oder bei einer Besprechung in der Arbeit zücke. Heutzutage hat man das Handy sowieso ständig in der Hand. Deshalb heißt das Ding im deutschen Sprachraum ja auch Hand-y. Das Ende unserer oberen Extremitäten ist mit dem flachen Ding so gut wie verwachsen.

Neulich ist sogar eine junge Frau gestorben, weil sie ihr Telefon mit in die Badewanne genommen hat! Dass man den Föhn nicht ins Badewasser fallen lassen darf, weiß jedes Kind. Aber das Handy als Todesfalle?! Das ist doch so harmlos wie eine Zeitung, so selbstverständlich wie das Denken, so beiläufig wie das Fenster, auf dessen breiter Fensterbank man gemütlich lehnt, um mit der zufällig vorbeikommenden Freundin ein Schwätzchen zu halten.

Mein Telefon tut das für mich, was ich als bescheidener Mensch nicht machen kann: Es schreit in die Welt hinaus: Ich bin eine super faire, recycle-statt-wegwerf- do-it-yourself-Frau, aka stolze Besitzerin eines Fairphones. Hübsch weiß auf transparentem Grund reibt es diese Nachricht jedem unter die Nase, der mich eines Blickes würdigt. Ich halte „change in my hands“. Das fühlt sich richtig gut an.

O.K, ein bisschen schwerer und klobiger als viele Konkurrenzprodukte fühlt es sich vielleicht auch an, aber ich bin ja auch kein Teenie mehr, der dauernd via snap chat  kommuniziert. Bei der Kommunikation wären wir dann auch schon bei dem Punkt angekommen, der nicht gerade die große Stärke meines Telefons ist. Aber dazu hat man ja auch noch das Internet und alle möglichen Apps.

Das Fairphone preist an, dass alle Teile austauschbar, das ganze also zum Beispiel im Gegensatz zu Apple Produkten zerlegbar und damit auch reparierbar ist. Genau das finde ich gut. Warum ein Handy wegwerfen, wenn das Display gebrochen ist? Unnötiger Müll und eine falsche Einstellung gegenüber wertvollen Produkten. Sehr vieles wird heutzutage absichtlich so erzeugt, dass es gar nicht repariert werden kann, weil der Umsatz, ergo der Gewinn mit dem Verkauf des Gesamtprodukts gemacht werden. Damit wären wir dann auch schon bei der geplanten Obsolenz – einer der Versündigungen des geldgierigen Menschen an der Natur. Aber nicht mit mir!

Fairphone – in seine Einzelbestandteile zerlegbar – vom Kunden! Ha! Doppel Ha ha!

Und dann möchte ich also einen Termin bei einem Arzt Y in der Gemeinschaftspraxis XYZ ausmachen: Ich rufe an: 01 12345678. Eine freundliche Tonbandstimme meldet sich:“Willkommen in der Gemeinschaftspraxis XYZ. Bitte wählen sie jetzt 1 für Dr. X, 2 für Dr. Y und 3 für Dr. Z.“

Ich schaue auf mein Handydisplay. Es bleibt schwarz. Ich halte es wieder ans Ohr. Die  geduldige Dame wiederholt die Aufforderung. Ich schaue wieder auf mein Display, warte etwas länger, aber die Tastatur erscheint noch immer nicht. Ich tippe das Display an. Nichts, alles schwarz. Die Dame wiederholt gelassen schon zum dritten Mal, dass ich eine Auswahl treffen soll.

Ich hoffe ja darauf, dass unschlüssigen Menschen einfach weitergeleitet werden, denn zufälligerweise ist mir bekannt, dass im Vorzimmer sowieso nur eine einzige Dame für alle drei Herren die Termine koordiniert. Wozu also die Vorselektion?

Mittlerweile wische ich in alle denkbare Richtungen über das Display, kippe es nach hinten, vorne, seitlich, tippe es doppelt an allen möglichen Stellen an, aber der Bildschirm bleibt hartnäckig schwarz. Ich kann weder eine Zahl wählen, noch auflegen.

Ja, in solchen Momenten würde ich dann gerne die moralische Keule von oben nehmen und damit mein Handy in all seine Einzelbestandteile zerlegen. Im Internet gäbe es sogar die Anleitung, wie ich es wieder zusammenbauen kann!