Liegt es an mir oder den drei Worten oder vielleicht an der Dunkelheit, die diese Tage so kurz macht? Mir kommen nur düstere Geschichten in den Sinn. Na ja, hier ist also noch eine Geschichte (und ein leider sehr unerfreuliches, aber nicht zu übersehendes Thema) mit exakt 300Wörtern 😉
Er würde ihre Wut aushalten hatte er gesagt. Ja klar, er war vermutlich auch so einer, der Regenbogen pupste. Ihre Wut war ein Monster, dem niemand gewachsen war. Da war sie sich ganz sicher. Jeden Tag, wenn sie zur Rasierklinge griff und erst ablassen konnte, wenn sie ihren Körper bluten sah, fragte sie sich, ob andere auch in so einem Karussell aus finsteren Gedanken gefangen waren.
Ihr Selbsthass war allmächtig, für einen Menschen nicht zu ertragen. Woher er kam? Oh, ihr Therapeut hatte darauf sicher eine tiefgründige Antwort aus dem Lehrbuch, eine akademische Erklärung für alles, aber das wollte sie gar nicht hören. Sie war ein hoffnungsloser Fall.
Schnitt um Schnitt kam sie den Abgründen ihrer Seele doch nicht näher. Die Selbstverletzungen waren ihr Weg, um noch ein klein wenig mit der Realität in Kontakt zu bleiben. Die Schmerzen waren real und ernüchternd. Und doch war ihre Beständigkeit nicht größer als die von Seifenblasen. „Blupp!“ und vorbei.
Wie sehnte sie sich nach Verständnis, nach Mitgefühl, nach menschlicher Zuneigung. Warum nur waren ihre Gedanken für ihn nicht so transparent wie die Selbstverachtung, die aus all den Pflastern am Arm sprach? Er musste doch erkennen, was in ihr vorging!
Eisern schwieg sie ihn eine Stunde um die andere an. Sie würde sich ihm nicht weiter öffnen, das Monster ließ es nicht zu. Sein lautes, bösartiges Lachen übertönte seine freundlichen Versuche, sie dazu zu bewegen, sich ihm zu öffnen: „Sie können hier alles sagen. Sprechen tut nichts. Es kann Ihnen helfen!“
Wie gerne wollte sie ihm glauben, aber die Stimme in ihr rief nur „Lachhaft! Mich kann niemand besiegen. Schon gar nicht mit Worten!“ Sie presste die Hände auf ihre Ohren. Sie würde ihm alles erzählen, in der nächsten Stunde. Ganz sicher. Nur nicht jetzt, aber nächstes Mal würde sie sich ihm anvertrauen.
Regenbogen
transparent
bluten
So lauten die drei Worte für die abc-Etüden von Christiane. Gespendet wurden sie von dergl (Die Tintenkleckse sehen aus wie Vögel).
Ja, sich zu öffnen ist schon verdammt schwer, und wenn dann noch der innere Saboteur am Werk ist… Schwupps, wieder eine Gelegenheit vorbei. Kenne ich sehr gut. Ausgezeichnet beschrieben!
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank!
LikeGefällt 1 Person
„Nächstes Mal“ ist so die Standard-Antwort, die man oft hört. Nächstes Mal hör ich auf, ab morgen ändere ich mich, nächstes Mal trinke ich weniger.
Und wie oft lässt man sich im guten Glauben tauschen, denn erfüllt werden die Versprechen selten bis nie.
Deine Geschichte: traurig aber wahr!
LikeGefällt 1 Person
Ich glaube, es geht vielen so, dieses Gefühl, dass einen eh keiner versteht und man dann angesehen wird wie ein ekliges Insekt. Tja, und dann stürzen viele in die Verzweiflung ab und machen sonstwas.
Ich finde deine finsteren Geschichten ein sehr berechtigtes Kontrastprogramm, und gut sind sie noch dazu …
Liebe Grüße
Christiane
LikeGefällt 3 Personen
Herzlichen Dank! Irgendwie bin ich noch auf der Suche, nach einer lustigeren Geschichte zum Regenbogen, aber es will und will nicht werden 😉
LikeGefällt 2 Personen
Schwieriges Thema grandios umgesetzt.
LikeGefällt 2 Personen
Vielen Dank!
LikeGefällt 1 Person