Tante Tex hat für den Story-Samstag diesmal das Thema „Schlüssel“ ausgegeben.

Verlorene und vergessene Schlüssel, die schließlich nach langen nächtlichen Such- oder nachmittäglichen Warteaktionen (auf den Schlüsseldienst) doch wieder auftauchten, gefundene Schlüssel, die ich als Kind besonders interessant fand und natürlich zum Leidwesen des wahren Schlüsseleigentümers behielt. Ich schaffte es zu einem ganzen Schlüsselbund voller Fundstücke und vermutete hinter jedem einzelnen eine ganz besonders interessante Tür.

Es gäbe so vieles aus der eigenen Erfahrung zu berichten und noch viel mehr Geschichten, die sich nur in meinem Kopf bilden. Doch diesmal will ich keinen Ausflug in meine Erinnerung oder Fantasie unternehmen, sondern mir lieber Gedanken über Begebenheiten machen, die tagtäglich ablaufen, fast im Verborgenen – irgendwo da draußen in der Welt, die an sich tatsächlich (und) fantastisch genug ist.

Unglaubliches

geschieht, wenn die Hormone verrückt spielen. „Liebe geht durch den Magen“ heißt es. Der Schlüssel zur Macht tut das manchmal auch und dabei wächst er buchstäblich durch den Körper zum Kopf oder bis ans andere Ende. Manche Schlüssel sperren mechanisch, andere rein chemisch (z.B. über Hormone, Botenstoffe) und von vielen weiß die Wissenschaft noch gar nicht recht, wie sie eigentlich funktionieren.

Wer sind die Schlüsselmeister?

Neuroparasiten, meist winzig klein, aber unheimlich mächtig. Unheimlich ist ihre Art zu wirken und noch unheimlicher sind die Resultate.

Scheinbar einfachste Lebensformen steuern andere, oft viel größere nach ihrem Belieben und mit absoluter Präzision – sofern sie sie denn erreichen konnten, nämlich physisch. Der perfide Plan der Parasiten geht also nur auf, wenn sie in den Wirt hinein gelangen, manchmal benötigen sie sogar einen Zwischenwirt.

Beispiele? Bitte sehr:

  • 25 cm über dem Boden. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Das Schicksal und ein Pilz, der nach einer ausgeklügelten Attacke nun geschützt durch den Panzer seines Ameisenopfers ungehindert wuchern kann. Sein Name: Ophiocordyceps unilateralis. Sein einziges Ziel: Die Kontrolle über sein Opfer zu erlangen, um sich zu vermehren.
ameise
Eine arglose Ameise bei der Arbeit
  • 10 cm lang, mausgrau, flink, mit herzigen Knopfaugen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Das Schicksal und die Maus, die der Katze direkt vor die Pfoten läuft. Gelenkt von einem Einzeller. Sein Name: Toxoplasma gondii. Sein einziges Ziel: Die Kontrolle über sein Opfer zu erlangen, um sich zu vermehren.
katze
Das Ziel: Die Katze. Aber wo bleibt die Maus? Die bequeme Wohnungskatze fände eine Lieferung direkt vor’s Maul sicherlich reizvoll
  •  5 cm bis 2 Meter lang, blass-weiß, winden sie sich im Wasser scheinbar zu einem gordischen Knoten. Das Schicksal nahm bereits seinen Lauf. Das Schicksal und die Heuschrecke, auf dem Weg ins tödliche Nass, das sie aufsuchte, weil es der Parasit, der in ihr wohnte, so wollte. Sein Name: Saitenwurm. Sein einziges Ziel: Die Kontrolle über sein Opfer zu erlangen, um sich zu vermehren.

Der Mensch staunt und forscht und steht noch vor vielen Rätseln. Und doch kann er es sogar noch besser. Denn die physische Schranke zur Beeinflussung anderer wurde längst überwunden: Berührung unnötig, WORTE reichen aus! Ansteckung ohne direkten Kontakt. Kontamination über das Lesen, Ansteckung über das Hören!

Glaubliches

Das schaut dann so aus:

  • 155 cm bis 190 cm groß, blass oder sonnengebräunt, hacken sie in die Tasten oder reden sie in Mikrofone. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Das Schicksal und die Wertvorstellung ihrer Anhänger. Der Name: ? Das einzige Ziel: Die Kontrolle über die Gedanken anderer zu erlangen, um die eigenen Gedanken zu verbreiten.

Auch im Menschenreich sind es mitunter einfache, einfältige Lebensformen, die andere steuern. Manchmal sitzen sie nur deshalb an den Schalthebeln, weil sie dort hingesetzt wurden, von jenen, die an sie glauben.

Wer ist ?

Hat ? also einen Namen? Ist die Rede von Politikern? Nicht nur …

„[…] Wer Politik treibt, erstrebt Macht […]“

sagte schon Max Weber. Aber Politiker und Parasiten, da liegen natürlich Welten dazwischen.

Ist die Rede von den Medien? Nicht nur … aber die Macht der Medien ist umso größer, je weniger Vielfalt zugelassen wird.

Ist die Rede von Gurus und Demagogen? Nicht nur … aber Ausstrahlung und schöne Worten haben oft mehr Macht als Einsicht und kritische Gedanken.

In den Intentionen, die die oben genannten verfolgen, unterscheiden sie sich oft nicht so sehr von Parasiten: Sie wollen beeinflussen, andere beherrschen. In ihrer Wirkweise auch nicht: Sie steuern fremdes Verhalten. Nur die Mittel sind andere. Worte sind ein Schlüssel zur Macht. Worte selbst tun angeblich nicht weh, wenn sie treffen, hinterlassen sie keine sichtbaren Spuren. Aber wir tragen die Narben in uns. Manchmal summen wir im Gleichklang mit ihnen, manchmal reiben wir uns daran auf. Worte töten auch nicht, aber auf Worte folgen Taten.

Und Taten brauchen Täter.