Neulich waren wir auf einem veganen¹ Straßenfest. Es gab dort ein paar Info-Stände, einige Anbieter von Kleidung, Kosmetik etc. und so ungefähr 40 Stände, an denen super leckeres Essen und/oder Getränke verkauft wurden. Für die Kinder gab es außerdem Schmink- und Maltische und eine Hüpfburg.

Mamas Plan war folgender:

Wir fahren am späten Vormittag hin, essen dort zu Mittag, treffen uns mit Freunden (und deren Kindern), schauen den Kindern beim Spielen/Herumhüpfen bei einem Eis und/oder Kaffee gemütlich zu und machen danach vielleicht noch eine kleine Fahrt mit der Straßenbahn als krönenden Abschluß, da es so spannende Öffis bei uns im Ort natürlich nicht gibt. Am Land herrscht der Individualverkehr.

Es klappte alles wie vorgesehen, nach Plan, reibungslos.

Wirklich?“

fragen jene Leser und Leserinnen meines Blogs, die sich ihrerseits selbst Eltern nennen, jetzt ungläubig und womöglich ehrfürchtig, und planen im Geiste schon eine kleine Statue von M.Mama in einem Winkel ihres Eigenheims zu errichten, um sie hernach entweder anzubeten oder als Watschenmann/frau zu verwenden.

Wirklich?“

fragen auch die kinderlosen Leser und Leserinnen meines Blogs.

„Und wozu habe ich jetzt bis hierher gelesen, wenn gar nichts Spannendes passiert ist?“

Keine Sorge. Es kam natürlich ein bisschen anders als geplant.

„Kinder“ und „nach Plan“ in einem Satz ist ungefähr so sinnvoll wie „gelbrosa farbenes Blau„, „über die Wiese von Blume zu Blume fliegende Elefanten“ oder „das zarte Schwirren tonnenschwerer Elfenflügel“. Man glaubt sich ein Bild von den beliebigen Wortaneinanderreihungen machen zu können und muss doch erkennen, dass diese Gebilde nur in der surrealen Phantasie Bestand haben können.


Der Tag verlief dann in Wirklichkeit so:

  • Wir fuhren am späten Vormittag hin – check ✓

Aktionen in einem Zeitfenster von 1 bis 2 Stunden zu erledigen, gelingt mitunter ganz gut. Da sind dann sogar die „Notfallstasche“ gepackt, beide Kinder und die Eltern gestriegelt, gekämmt und angezogen. Und manchmal schafft es die „Notfallstasche“ sogar mit ins Auto und wird nicht zu Hause vergessen.

  •  Wir aßen dort zu Mittag check (✓)

Immerhin 3 von 4 haben zu Mittag gegessen. E hatte recht schnell die verschiedenen Eisstände entdeckt und geriet dadurch in so eine Art Endlosschleife:

Ich will ein Schokoladeneis!

Das Schöne an einem Straßenfest ist, dass es dort ganz andere Sachen zu essen gibt als zu Hause. Das Schlechte an einem Straßenfest ist, dass es dort ganz andere Sachen zu essen gibt als zu Hause.

E ist gerade in einer Phase, in der sie neuen Geschmacksrichtungen gar nichts abgewinnen kann. Nichts von den gewählten Speisen (mild, zumindest eine bekannte Zutat enthalten etc.) schmeckte ihr. Und damit nahm das Schicksal seinen Lauf: Ich beschloss ihr das Eis zu gönnen, da ich als Nachspeise ja selbst eines wollte und hoffte darauf, dass sie später noch Appetit auf ein Mittagessen bekommen würde – wie sich herausstellte: ein schwerwiegender Trugschluß.

  • Wir trafen uns mit Freunden (und deren Kindern) – check ✓

Natürlich mit ein, zwei Stunden Verspätung. Aber wo Kinder, da Verspätung.

  • Wir schauten den Kindern beim Spielen/Herumhüpfen bei einem Eis und/oder Kaffee gemütlich zu – hm, naja, halbcheck ((✓))

Ein paar Minuten ruhig sitzen war sogar drin, aber von gemütlich keine Spur. Z wollte die Gegend erkunden und das geht bislang nur an Mamas oder Papas Händen. Und E versuchte eine geschlagene Stunde lang zwischen 20 anderen Kindern eingequetscht auf und ab zu hüpfen und dabei zu kichern.

Der Spaß in Hüpfburgen erschließt sich mir ja nur sehr bedingt. Springen in einem Trampolin? Ja klar, das macht Spaß! Springen auf nach oben gewölbtem Plastikboden bei ständigen Kollisionen mit anderen Menschen? Nein, Danke!

Tatsächlich führte unsere kleine empirische Studie vor der Luftburg zu folgendem Ergebnis: 50% der Kinder krochen verschwitzt, aber strahlend aus der Hüpfburg  dem Teppich aus Schuhen und ihren daneben wartender Eltern entgegen und 75% der Kinder mussten verschwitzt und weinend aus dem Gewühl von ihren Eltern herausgefischt werden. Die scheinbare Ungenauigkeit der Statistik ergibt sich aus der Tatsache, dass von den ersten 50% rund die Hälfte dann doch noch einmal umdrehte, um sich erneut in das Gehüpfe zu werfen.

  •  Fahrt mit der Straßenbahn – definitiv nicht check ✓.

Daraus wurde nichts mehr. Ich habe ja nicht die Kondition eines Marathonläufers! Und die Straßenbahn fährt uns schon nicht davon. Also genau genommen natürlich schon. Sogar sehr viele bis wir wieder kommen, aber ich vertraue darauf, dass es diese Institution auch dann noch gibt, wenn wir wieder in die Stadt kommen

Und dann passierte das eigentlich Interessante: M.Mama verstummte. 

O.K., das geschah nicht einfach so, aus heiterem Himmel. Es gab da noch eine kleine Episode dazwischen:

Mein Mann aß dort nicht nur zu Mittag, er vertilgte auch noch ein vorzeitiges Abendessen – von der Menge her. In 20 Minuten Abständen fragte ich E, ob auch sie etwas zu essen wollte, nur um mir jedes Mal eine Abfuhr zu holen. Es gab so viel zu sehen (andere Kinder, die herumlaufen oder hüpfen) und zu tun (selbst herumlaufen oder hüpfen). Nach einigen Stunden auf der Fressmeile, am späten Nachmittag,  verließen wir also erschöpft das Terrain und spazierten zu unserem Auto. Und kaum saß E angeschnallt in ihrem Kindersitz, tönte es nach vorne:

„Mama, ich brauche jetzt meine Jause!“

Nachtrag meines Mannes

Mama konnte in diesem Fall nicht an sich halten und ließ nach einer Schocksekunde eine Tirade auf das arme hungrige Kind nieder, die hier nicht wiedergegeben werden soll, da Mitschreiben bei dem Gezeter denkunmöglich war. Das arme hungrige Kind verstand offenbar auch nur einen Bruchteil dessen, was auf es einstürzte und fragte daher bei der ersten sich bietenden Gelegenheit (Mamas erster Pause, um nach Luft zu schnappen):

„Aber Mama, was kochen wir denn heute zu Mittag?“

Rums! Die Autotür schlug zu und M.Mama verfiel in ein tiefes Schweigen.

M. Mama ist seither nicht mehr ansprechbar. Gelegentlich murmelt sie etwas, das wie

„Aber ich habe sie doch HUNDERTMAL gefragt …“

klingt, schüttelt den Kopf und verfällt sogleich wieder in ein tiefes Schweigen.

Wir haben sie in ein ruhiges Eckchen im Garten gesetzt und warten darauf, dass sie irgendwann ihre Fassung wieder findet. Oder Hunger bekommt, oder wir Hunger bekommen – irgendwer muss ja hier schließlich kochen!


¹ Ich habe einige Zeit überlegt, ob ich schreiben soll, dass es sich um ein veganes Fest handelt, da dieses Schlüsselwort polarisiert. Während die einen beim Wort „vegan“ sich sofort bevormundet oder zumindest furchtbar genervt fühlen, werden die anderen durch das Wort beinahe magisch angelockt – so wie es sich mit Mäusen und Speck verhalten soll, nur dass letzterer eben auf einem veganen Fest nicht in die Pfanne käme und die Mäuse die Verallgemeinerungen satt und sich daher selbst auf Diät gesetzt haben. Jetzt lassen sich die fremden Katzen in unserem Garten nicht mehr blicken, weil die Mäuse so schlechte Laune haben, dass es selbst ihren Feinden zu viel ist, und ich lasse das „vegan“ vor dem Straßenfest“ einfach stehen, weil es mir richtig gut geschmeckt hat.