Das „ich auch“-Phänomen

Die Sätze meiner älteren Tochter fangen seit der Geburt der jüngeren sehr oft mit den altklugen Worten „Als ich noch ein kleines Baby war …“ an. Und enden gewöhnlich in etwa so: „… habe ich auch nur Brei gegessen / habe ich immer gepatzt/habe ich das auch gemacht“.

Das „ich auch“-Phänomen ist derzeit sehr ausgepägt und wird wohl noch so die nächsten 30, 40 Jahre anhalten (wenn ich das einmal aus eigener Erfahrung hochrechnen darf).

Um die Unterhaltung etwas interessanter zu gestalten, und weil ich sowieso ein neugieriger Mensch bin, der gerne am Leben seiner Kinder Anteil nehmen möchte,  solange sie es noch nicht als „urpeinlich“ betrachten, frage ich gerne und oft nach, was denn im Kindergarten los war.  Oder, fragte. Denn als wir neulich bei Tisch saßen und es fast so aussah, als würde es ein entspanntes Abendessen werden, antwortete meine Tochter auf meine tägliche Nachfrage nach Neuigkeiten aus dem Kindergarten laut und aufgeregt: „Der Alex hat Kaka gemacht!“

Das Thema „Number Two“

Nun ist es so, dass wir zufällig dabei waren, als Alex eines Tages mit voller Windel morgens von seiner Mutter im Kindergarten abgegeben wurde (das „Malheur“ war auf dem Weg zum Kindergarten passiert und die Mutter in Eile, da sie in die Arbeit musste). Was auch immer das Kind zum Frühstück zu essen bekommt, weiß ich nicht, aber den Geruch an diesem Morgen im Kindergarten vergesse ich auch nicht!

Für meine Tochter war das spannende Thema, dem sie sich an diesem Abend widmen wollte, also sozusagen auf den Tisch gebracht und für mich das Essen schon vor dem ersten Bissen erledigt.

Falls das jemand liest, der selbst keine Kinder hat und auch bei anderen (bekannten/verwandten) Eltern diese Entwicklungsstufe des Nachwuchses nicht miterleben durfte, oder vielmehr musste: Die Töpfchen- vs. Windelthematik und alles was damit verbunden ist, scheint Kinder in der Phase des Sauberwerdens tatsächlich sehr zu interessieren. Und natürlich fehlt noch das angemessene Scham- und Taktgefühl.

Was die Eltern betrifft: die erfahren durch das ständige Windeltraining (also das Wechseln der Windeln ihrer Kinder auch unter den widrigsten Umständen) und danach und vor allem beim Windelloswerdtraining (und den Fehlschlägen, die auch schon einmal während des Essens passieren können) eine gewisse Abhärtung in Bezug auf all diese Themen. Aber manchmal ist zu viel einfach zu viel.

Die wirklich hartgesottenen, genial komischen Eltern Wanda und Darryl finden sie übrigens hier: yucky babyblues

Was die Zukunft noch bringen könnte

In meinem Bemühen, nette Tischkonversation zu führen und das Kaka-Thema nach Möglichkeit zu vermeiden, habe ich E vor kurzem von unserer Hochzeit (also jener zwischen mir und meinem Mann) erzählt und meine Taktik hat auch sofort Früchte getragen:

Einerseits fängt meine Tochter nun jeden zweiten Satz mit „Als ich geheiratet habe … “ an. Ich muss zugeben, ich höre dann immer gespannt zu. Immerhin gibt es laut ihren Schilderungen im Kindergarten mindestens 3 Buben, die alles für sie tun und man weiß ja nie, was ich alles nicht mitbekomme als Mutter.

Trotzen wie es im Buche steht

Andererseits durfte ich erleben, wie es ist, wenn das Kind sofort tut, was man ihm sagt! (Ich müsste eigentlich noch ein paar Rufzeichen mehr hinzufügen, so perplex war ich). Denn als E neulich den Tisch wieder einmal einfach während des Essens verlassen wollte, meinte ich zu ihr, dass ich ihr gerne noch einmal die Geschichte erzählen wollte, wie Mama und Papa geheiratet haben. Im nächsten Moment saß sie wieder auf ihrem Sessel und schaute mich erwartungsvoll an! Ich traute meinen Augen kaum.

An dieser Stelle möchte ich ergänzen, dass E an sich natürlich ein recht braves Kind ist. Sie ist aber auch sehr aufgeweckt und unheimlich dickköpfig und zeigt seit einigen Monaten viele und heftigste Trotzerscheinungen, die laut Fachbuch und den Erzählungen anderer Eltern mit Kleinkindern aber ganz normal.

Die Trotzphase war und ist für mich aber so nervenzehrend, dass ich leider mittlererweile fast automatisch meine Handlungsanweisungen gebetsmühlenartig wiederhole.

Ich weiß, ich weiß, das ist eine völlig wirkungslose bis das Gegenteil des Gewollten bewirkende Methode. Ich war mir auch ganz sicher, dass ich so nie mit meinen Kindern sprechen würde. Das schien in der Theorie vor der Geburt meiner ersten Tochter auch noch völlig im Bereich des Möglichen. Fast 3 Jahre später ist alles etwas anders gekommen als geplant.

Planen mit Kindern? Haha! Da muss ich sogar selbst lachen!

Gewöhnlich schickt sich E erst dann an, das zu tun, was ich möchte, wenn mein Geduldsfaden kurz davor steht zu zerreißen, oder – ping! – schon gerissen ist.

S0 oder So

In dem verzweifelten Kampf bei Tisch, das Chaos nicht völlig überhand nehmen zu lassen, hatte ich dann ja auch noch beschlossen, verstärkt auf die Einhaltung der Tischmanieren zu pochen. Letztere sind mir persönlich sehr wichtig, aber anscheinend viel schwerer zu vermitteln als erwartet. E nimmt jeden Hinweis als Aufforderung das Gegenteil oder eine phantasiereiche Abwandlung vom erwarteten Verhalten auszuprobieren, begleitet von einem spitzbübischen „So? So Mama? Oder So?“, wohlwissend, dass ich es so nicht gemeint hatte.

Ich muß zugeben, es klingt jetzt auch nicht so klug, gerade in einer schwierigen Phase noch mehr Regeln aufzustellen bzw. auf ihre Einhaltung zu pochen, aber es gibt für meine Entscheidung einen weiteren Grund, nämlich Z. Meine Babytochter ist der größte Fan ihrer großen Schwester. Sobald E den Tisch verlässt, kann ich das Füttern vergessen, weil sich Z dann verrenken muss, um zu sehen, was E im Wohnzimmer nebenan macht. Da treffe ich mit dem Löffel höchstens noch ihre Ohren oder gleich den Hinterkopf. Also: Es wird Zeit für strengere Tischmanieren!