Was ich mich schon oft gefragt habe
Welcher Mensch, der noch halbwegs bei Verstand ist, schaut diese Sendungen eigentlich? Eventuell sogar stundenlang? Das Telefon griffbereit neben sich – versteht sich von selbst.
Historischer Rückblick
Die Idee zu diesen Kanälen stammt noch aus der Zeit bevor online shopping die Notwendigkeit stundenlanger Einkaufstouren durch physische Geschäfte ablöste. In der Schleife laufende Sendungen und Dinge, die scheinbar Wunder wirken können, in der Praxis dann aber meist nicht halten, was versprochen wurde – eine gefährliche Kombination mit fast hypnotischer Wirkung:
Besonders häßliche Schlankmacher-Miederanzüge für sie und ihn, sich niemals wieder verwickelnde Gartenschläuche und Super-Power-Hexler für die Küche und alle Bretter der Werkstatt und Baumstämme aus dem Garten obendrein. All diese Sachen mussten früher mühsam in den Regalen in der Nähe der Kassen auffällig den ohnedies schmalen Gang versperrend aufgestellt werden, damit wir ihnen nicht entkommen konnten. Denn brauchen, nein, brauchen konnte sie ganz sicher niemand! Man war und ist zum Teil auch noch heute ihrem Anblick während des scheinbar endlosen Wartens an der Kasse gnadenlos ausgesetzt.
In diesen langen Minuten, nach einem noch viel längerem anstrengendem Werktag (in der Arbeit oder zu Hause mit Haushalt und Kindern wohlgemerkt), spielen sich in unserem Gehirn seltsame Phänomene ab. Die Werbeindustrie wartet nur darauf, dass wir unsere Schilde der Skepsis und des rationalen Denkens herunterfahren. Mürbe gemacht in der Warteschlange stellt man sich irgendwann vor, wie es wohl wäre so ein Super-Was-Auch-Immer selbst zu besitzen.
Irgendjemand hat sich das Konzept davon ja mit viel blühender Phantasie ausgedacht und dann auch noch jemand anderen davon überzeugt, für die Realisierung des genialen Einfalls zu bezahlen. Heutzutage erfolgt so etwas wahrscheinlich durch crowd-funding, früher eher durch wiederholte Besuche beim gelangweilten Bankangestellten, dem ein neuer Kredit für seine Verkaufsstatistik sehr gelegen kam und der die vom Erfinder optimistisch geschätzten Verkaufszahlen (wer möchte schon auf den 3-Sekunden-völlig-schmerzfrei-Ganzkörperenthaarer verzichten, wenn er erstmal auf dem Markt erhältlich ist?) ohne mit der Wimper zu zucken als seriöse Prognose in sein Kreditprogramm reinklopft, damit der Kredit auch streng nach Vorschrift und exakter Prüfung genehmigt werden kann.
Irgendetwas muss doch dran sein, an all diesen no-name gadgets, die man nach ein paar Wochen komischerweise niemals wieder auch nur irgendwo zu sehen bekommt.
„Limitierte Auflage!“ Der Euphemismus für Klumpert [Österreichisch für unnützes Zeug], das keiner braucht, nie funktioniert, aber für viel Geld für kurze Zeit erworben werden kann. „Zugreifen“ raunt dann womöglich das von der Berieselungsmusik aus den Lautsprechern milde gestimmte Hirn, das unterzuckert und fast schon im Stand-by Modus eigentlich nur noch zum Abendessen nach Hause will und nach schneller Belohnungen giert. Wenn schon nicht Zucker, dann doch wenigstens Kaufrausch. Die Hand greift zur Verpackung, man vertieft sich nonchalant in die Bilder und lobpreisende Schlagworte auf dem Karton. Nach außen hin möchte man natürlich weiterhin aller Welt vermitteln, dass man so etwas doch nie im Ernst kaufen würde. Dann plötzlich kommt Bewegung in die Warteschlange. Es geht ein Stück weiter. Das Förderband rückt näher. Die Vernunft schreit „Zurücklegen!“, aber das Belohnungszentrum ist schon aktiviert. Man könnte es ja einmal ausprobieren.
Zurück zum TV Werbekanal
Das Zielpublikum setzt sich offenbar aus
- besonders leichtgläubigen
- unter Drogen stehenden
- stark übermüdeten
- völlig verzweifelten
- bereits sich mitten im Kaufrausch befindenden
- noch von der vorangegangenen Astrologie- oder Kartenlegesendung ob ihrer ausgezeichneten Fähigkeit immer nur die richtigen Entscheidungen im Leben zu treffen verblendeten
Mitbürgern zusammen.
O.K., für die dazwischen geschalteten Ratesendungen gelten ein bißchen andere Maßstäbe. Da kann man auch schon das eine oder andere Mal hängen bleiben. Denn so dumm können die Glücklichen, die bei der entscheidenden Telefonleitung als erste durchkommen doch nicht wirklich sein! Und wenn man z.B. für eine Prüfung lernen muss, bei welcher die Schnittmenge zwischen Prüfungsstoff und persönlichen Interessen zur leeren Menge tendiert, dann ist sogar eine Ratesendung eine willkommene Ablenkung. Bei dem Wortefinden und Rätseln kann man ja sogar noch irgendwie behaupten eine gewisse Denkleistung erbracht zu haben. Doch spätestens beim Ablegen der Prüfung bereut man dann natürlich zu tiefst, dass man sich nicht auf das Uniskript konzentriert, sondern Volksschulniveauaufgaben gelöst und ihre Antworten laut dem Fernsehapparat zugerufen hat, und noch nicht einmal den blinkenden Jackpot knacken konnte, weil man unter den eingeblendeten Telefonnummern bei jedem Anrufversuch immer nur in eine preislich gehobene Warteschleife gelangte, statt zu dem billig eingerichteten Fernsehstudio mit drittklassigem Moderator.
Aber das ist alles nur rein hypothetisch.
ICH würde nie darauf reinfallen.
Jetzt entschuldigen Sie mich bitte, mein Lieblingratespiel auf dem Werbekanal fängt gleich an!
Ein genialer Beitrag :). Zum Glück habe ich keinen Fernseher.
Das Schnitzelgerät, das ich in meiner Jugend bei einem Verkaufsstand vor einem Einkaufszentrum in der Mahü erworben habe, habe ich immer noch. Und verwende es noch ab und zu, außerdem bildet es eine stille Reserve, falls mal der Strom ausfällt. Diese Verkäufer verrichten wahre Wunderdinge mit ihren Geräten, vor ihnen sind Berge von geschnitzeltem Gemüse, klein gehackten Zwiebeln, geriebenen Nüssen und sonstigem aufgetürmt, das überzeugt frau doch, dass es funktioniert. Seltsamerweise verlieren die erstandenen Schnitzer, Schneider, Reiber und Allzweckwunderdinger auf dem Weg in die eigene Küche ihre wundersamen Eigenschaften.
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