Was haben Stilblüten gemeinsam? Sie verbinden zum Beispiel Worte auf eine Art, wie sie nicht verbunden werden sollten. Und sie verbindet die Gedanken von Bloggern über Landesviertelgrenzen hinweg, wie sie wohl schon verbunden sein dürfen –  ein lieber Gruß an Vro an dieser Stelle 🙂 Lese ich „Stilblüte“, denke ich an die Deutschstunden in der Schule.

Christianes Schreibeinladung diese Woche erscheint mir alles andere als banal. Ein Aufruf zu Stilblüten? Wenn das mal kein Wildwuchs an Worten gibt, wo es doch nur maximal 10 Sätze sein dürfen rund um die 3 Wörter, die diesmal von Petra Schuseil (wesentlichwerdenblog.wordpress.com) kommen: Stilblüte, banal und jodeln.

Lese ich „jodeln“, muss ich an (klägliche) Jodelversuche zu Hause in der Küche denken. Meine Mutter, eine waschechte Tirolerin, wollte uns Kindern das Jodeln beibringen. Ein Vorhaben, das von meinem Vater (dem Stadtmenschen) nur milde belächelt wurde. Wenn ich daran zurückdenke, muss ich lächeln: Danke, Mutti! Danke, Papa!

Nach der Illustration von Herrn lz  (ludwigzeidler.de) geht es los mit der Minimalprosa:

2017_46.17_zwei_lz | 365tageasatzaday

 

„Wenn dir die Definition eines Begriffs nicht gleich einfällt, dann sagst du einfach »Das ist banal, wer kann dem Kollegen helfen?« und lässt einen anderen Schüler die Frage beantworten.“

Diesen Rat gab ihm sein alter Vater mit auf den Weg an seinem ersten Tag als Lehrer.

Er nickte nur, lächelte und dachte für sich, wie stark sich die Welt doch geändert hatte, seit sein Vater zuletzt unterrichtete hatte.

Ehrfurchtsvollen Respekt vor dem Professor, große hierarchischen Unterschiede zwischen Schülern und Lehrern gab es ja schon lange gar nicht mehr im Klassenzimmer, heute begegnete man der Jugend auf Augenhöhe, und außerdem wussten schon Grundschüler wie man Wörter am Handy googelte, wenn man sie nicht kannte.

Mit einem flauen Gefühl im Magen trat er vor die Teenager und staunte, dass es still war im Raum, sehr still sogar, während 24 Augenpaare ihn schweigend anstarrten, darauf lauernd, ihn für seinen ersten Fehler wie Hyänen zerfleischen zu können.

Er schmunzelte über das Zeugma, das er gerade in Gedanken formuliert hatte, griff zur Kreide, um seinen Namen und das Thema der Stunde an die Tafel zu schreiben und erschrak über seine eigene Stimme, die vor Aufregung mehr einem Jodeln glich.

„Heute sprechen wir über den Unterschied zwischen Zeugma und Stilblüten“ erklärte er, um durch die Fokussierung auf das Thema an Selbstsicherheit zu gewinnen, aber die Mädchen hatten längst alle ihre Smartphones gezückt, um die Worte zu googeln (so hoffte er zumindest, oder schrieben sie einander schon Nachrichten?) und ein paar Burschen murmelten breit grinsend so etwas wie „Dann zeug ma mal den Stiel, meiner ist sicher der größte“ oder „Mit meinem Stiel und deinen Blüten zeugma was Kleines!“.

Er fühlte Panik in sich aufsteigen, aus Angst, er könnte schon in der ersten Stunde völlig die Kontrolle über die Klasse verlieren und hörte erstaunt sich selbst sagen: „Der Begriff Stilblüte ist hoffentlich so banal, dass ihn alle kennen und definieren können?“, womit nach einem kurzen allgemeinen Raunen die Stille der Furcht davor, aufgerufen zu werden, in den Klassenraum einkehrte.

„Danke, Papa!“ dachte er und atmete erleichtert auf.