Nahtlose Fugen, die Einzelteile verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen.

Der Kitt, der alles zusammenhält, ein kleines Kind. Von allen Seiten wird an ihm gezerrt und gezogen. Es streckt sich in die verschiedensten Richtungen gleichzeitig. Dann die ersten Risse, quer durch seine Seele. Ein lautloses „Ratsch!“, welches in den Ohren des Mädchens so lange nachhallt, dass es die nachfolgenden Splitter und Sprünge kaum noch wahrnimmt. Die Scherben werden erst Jahre später eingesammelt, davor nur unter den Teppich des Schweigens gekehrt.

Mutter, Vater, Kind. Kein Kinderspiel. Die Last der Eltern lastet schwer, die Schuld nimmt es ohne zu fragen auf sich. Wer sonst könnte schuld sein?

Wer Wut sät, wird Wut ernten und vom immer stärker werdenden Sturm eines Tages umgeworfen, aus den Angeln gerissen. Wer nur Wut erntet, kennt auch nur eine Saat.

Alles könnte perfekt sein. Alles müsste perfekt sein. Nichts davon ist wahr. Die Fassade bröckelt, das Schauspiel ist vorhersehbar, die Täuschung durchschaubar. Der Vorhang des Theaters fast so löchrig wie das Nervenkostüm, das sich beim leisesten Windhauch auftrennt. Vor Jahren fing einer an am losen Faden zu ziehen, das Drama spult sich ab.

Nichts ist glatt und geschmeidig wie es sein soll, wie es sich jeder wünscht, wie es bei allen anderen zu sein scheint, einfach so. Ganz leicht.

Was sich jeder wünscht? Welten liegen dazwischen und doch werden sie zusammen in einen Raum gezwängt. Wer es nicht anders kennt, fängt erst spät zu fragen an, ob es auch anders sein könnte. Reue hilft nicht. Reue heilt nicht. Bereuen ändert nichts an der Vergangenheit. Sie bleibt, was sie war. Sie kostet nur Kraft.

Nahtlose Fugen, die Einzelteile verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen bis es zerbricht. An den Teilen, an sich selbst. Risse wo zusammengefügt wurde, was nicht zusammengehört. Gibt es das überhaupt – zusammenpassen, zusammengehören?

Der Kitt, der alles zusammenhält, stöhnt unter seinen Anstrengungen. Es hat sich nichts geändert. Nur die Teile wurden mehr, lasten noch schwerer, zerren noch stärker. Drückende Verantwortung. Sich vor der Verantwortung drücken? Unmöglich. Familie kann man sich nicht aussuchen. Die Risse werden tiefer. Diese Welt, die einzig mögliche? Wohl kaum, aber die einzige, für die der Mut der Verzweiflung ausreicht.

Flucht aus dieser Welt, die einzige Reise, die noch Trost gibt. Ein schwaches Lächeln, ein tiefer Atemzug – ein, aus. Inhalieren, schmecken, schlucken. Die Augen schließen sich.

Stille.

Ende.

Ende des Albtraums? Es ist noch nicht gekommen.

Zeit aufzuwachen. Nach vorne sehen, ohne zu bereuen. Nach vorne sehen, ohne zu fühlen, nach vorne sehen ohne Angst, ohne Hass.

Einfach nur nach vorne sehen, atmen, losgehen. Die Zukunft wartet nicht auf dich.