Mittendrin

Bumm Bumm Bumm Rata Rata Rata Bonk Bonk Bonk

Die Beats dröhnen, der Körper vibriert. Ich mochte meine Musik schon immer laut. Daher muss sie heute auch etwas lauter sein, weil das Gehör unter der Dezibelbehämmerung jenseits von Gute und vor allem Böse gelitten hat. Ein Erbe der Disconächte vergangener Zeiten und auf volle Lautstärke gedrehte Ohrstöpsel unterwegs.

Heute gönne ich mir ausnahmsweise wieder einmal laute Beats. Beängstigend laut, beängstigende Tempowechsel. Afterwork Nachmittagsdisco für die ältere Generation: MR.

Das wäre ja eigentlich ein cooler DJ-Name – EmEr oder auch Mistörrrr. Nein, das letzte klingt nach einer Ansage im Boxring von dem lustigen Typen mit der steilen Frisur. Naja, ich bin weder im Eventgeschäft noch im Sport oder im Marketing, dafür heute halbnackt im Angesicht der eigenen vergänglichen Gesundheit in einer Kernspintomographenröhre (oder heißt es …graphieröhre?).

So mittendrin im Getrommel ist es doch etwas heftig. Die Gedanken kommen und gehen, sie lassen sich nicht abschütteln, heute nur ordentlich durchrütteln:

Wurden diese Geräusche schon einmal in einem Song verarbeitet? So ein wummerndes Stampfen ist schon – im wahrsten Sinne des Wortes – bewegend und mitreißend. Wäre es noch mit einer Lasershow unterlegt und ich hielte statt dem Panikknopf einen Drink in der Hand, käme da glatt mitternächtliches Danceflooreröffnungsfeeling auf.

Und natürlich die Frage, ob das Ganze wirklich so laut sein muss. Die Antwort lautet offenbar: Ja, muss es.

Am Anfang …

Nach dem Betreten des Instituts ist erst einmal ein Fragebogen auszufüllen. Wird man beim Schummeln erwischt, ist die Bruchlandung garantiert. Medizinische Fragebögen und Lebensläufe – bei beiden sollte man so ehrlich zu sich selbst sein, wie nur möglich. Denn kleine Sünden zählen und bezahlt wird dafür meist sofort:

Ach Frau M., übersetzen Sie doch bitte mal rasch diesen Suahelitext ins Russische, in ihrem Lebenslauf steht ja, dass sie beide Sprachen fließend beherrschen.“ – „Nun ja, also wissen Sie, das mit dem »fließend« das ist ja philosophisch betrachtet sehr relativ. Schon die alten Griechen wussten doch, dass alles fließt und meine Fremdsprachenfähigkeiten sind wohl irgendwann den Bach runter gegangen

Na, wenigstens die paar Philosophievorlesungen kann ich getrost unter Kenntnisse stehen lassen. Aber wieder zurück zur Untersuchung.

… (Am Anfang) vom Ende

Wenn es um die Gesundheit geht, wird man irgendwann mit den eigenen kleinen Schummeleien konfrontiert, mit denen man sich im Alltag über die eigenen Unzulänglichkeiten und Unbequemlichkeiten hinweg zu katapultieren versucht.

Irgendwann kommt der Tag, an dem man erkennt, dass nicht morgen der richtige Tag ist, um auf die eigene Gesundheit zu schauen, sondern dass der richtige Tag gestern war oder noch besser vorgestern. Und man wundert sich, warum man für die eigenen Wehwehchen nie Zeit hatte, für so vieles andere aber schon.

Nur die Harten kämen durch? Die kommen womöglich nur schneller ins Krankenhaus.

Haben Sie Angst in engen Räumen?

Nööööö, nicht doch, also nicht so richtig. Ich denke an Liftkabinen. Die werden nur unerträglich, wenn man lange drin steckt (mein durchlebter Albtraum als Kind) oder/und zusammen mit jemanden fährt, den man leider gar nicht riechen kann.

So eine MR-Röhre ist aber auf einer Seite offen, also gilt das nicht wirklich als enger Raum. Ist die Tür nicht zu, kann es nur halb so schlimm werden. Ein selbstbewußtes „Nein“ angekreuzt und auf in die Umkleidekabine.

Alles in Ordnung bei Ihnen?“ fragt die nette Assistentin. Zuversichtliches Nicken meinerseits. Dann geht es mit geschlossenen Augen hinein in den Geisterbahntunnel. Augen öffnen, den Panikknopf lässig in der Hand liegend, und ….

… Panik setzt ein. Nackte Panik! Oder halbnackte. Herzrasen, schnelle Atmung, Schwitzen – alles lupenrein wie im Fachbuch.

Ja, bei medizinischen Fragebögen sollte man sich nicht selbst belügen.

Die Öffnung der Röhre ist nicht im Sichtfeld, dafür aber die Wand. Überall, runherum, direkt über mir!

Nein, ich habe den Panikknopf nicht gedrückt, nur den Kopf ganz leicht geneigt, so dass ich die Öffnung sehen konnte. Die Atmung beruhigte sich, das Herz auch, die rettende Welt rundherum war wieder da. Und die Discobeats.

Bumm Bumm Bumm Rata Rata Rata Bonk Bonk Bonk