Jeden Tag gehen tausende Menschen denselben Weg wie ich. Und doch fand ich mich vor ein paar Tagen ganz alleine auf einer Rolltreppe wieder, und das am ehemals größten Bahnhof Wiens. Der Bulk aus meinem Zug hatte sich schon voraus geschoben, Richtung U-Bahn. Die späteren Züge waren noch nicht angekommen. Während Reisende und Pendler bereits wieder weg waren, wollten jene, die oben auf den Bänken herumsaßen, dies auch noch länger tun.

Als ich so ganz alleine auf der Rolltreppe stand, merkte ich plötzlich, wie es immer langsamer und noch langsamer bergab ging mit mir. Und dann blieb die Treppe fast stehen. Nur noch im Schneckentempo bewegten wir uns nach unten – die eisernen Stufen und ich. Mit eiserner Miene und eisernem Willen, eine Etage tiefer zu gelangen, zuckelte ich auf den Obdachlosenzeitungsverkäufer zu.

Sollte ich hüpfen, um der Rolltreppe klar zu machen, dass ich noch da war? Rufen? „Hallo, Welt. Ich bin noch da. Bitte nicht auf mich vergessen!“

Jeden Morgen versuchte der Zeitungsverkäufer auf diese Art und Weise auf sich aufmerksam zu machen. Aber nicht jeden Morgen erwiderte ich sein freundliches „Hallo“. Oft genug ignorierte ich ihn einfach.

Ich überlegte, die Stiege selbst hinunter zu steigen, statt letztendlich auf halbem Wege festzustecken, einer grotesken Lächerlichkeit preisgegeben. Immerhin hatte eine Treppe auf mich vergessen! Von einem Ding ignoriert zu werden, das nahm ich schon persönlich, denn es war ja kaum noch zu toppen. Da betrat ein weiterer Mensch oben die Treppe und der Antrieb kam wieder in Schwung. Das fehlende Rädchen im Getriebe.

Persönliche Ignoranz und ignorierte Persönlichkeiten – das kann als partielle Blindheit weh tun.

Aber manches sollte man nicht persönlich nehmen: Morgendliche Wutanfälle von Kindern in der Trotzphase, Verspätungen von Zügen oder vergessene Aufmerksamkeiten am Valentinstag (noch ist es nicht zu spät! 😉 )

regen
Das Wetter sollte man auch nie persönlich nehmen