Man kann über alles reden, heißt es.
Wittgenstein meinte jedoch
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“
Zusammengefasst kann man also über alles reden, außer über das Unaussprechliche. Das packt man längst in Bilder. Smileys, Emoticons, GIFs. Was Sprache ausmacht ist mehr als nur Buchstaben.
Diese Sätze habe ich vor Jahren geschrieben, den Blogbeitrag aber nie fertig gestellt. „simsen, texten, wotzeppen“ hieß er. Doch SMS werden kaum noch geschickt. Heute wird vor allem via Web gechattet oder es werden überhaupt nur Fotos geteilt. In der Arbeit bei uns sind GIFs sehr beliebt – als Zeichen, dass wir noch immer miteinander Spaß haben können, auch wenn wir uns kaum noch von Angesicht zu Angesicht sehen. Da wundern sich manchmal meine Kinder, wenn sie mir über die Schulter schauen im Homeoffice. Auch Erwachsene reagieren mit Herzen, Smileys und Daumen-hochs. Ich erkläre dann, dass wir halt auch nur mit der Zeit gehen (und vergehen).
Vergeht uns die geschriebene, oder sogar die gesprochene Sprache? Sind die Worte weniger geworden? Manchmal scheint es mir so.
Die junge Generation tauscht (meiner Meinung nach) bevorzugt Sinnloses über die verschiedenen Kanäle aus. Mein ermahnendes: „Und dafür werden Serverfarmen betrieben und fressen Strom?!“ kann ich aber selbst schon nicht mehr hören.
Doch vollständige Sätze werden gefühlt immer seltener. Gedankenvermittlung (also der Versuch zu übermitteln, was man denkt, nicht die Vermittlung von Gedanken via Gedanken im Sinne von Gedankenübertragung) erfolgt häufig fragmentarisch angedeutet. Man versteht sich trotzdem. Und darauf kommt es eigentlich an.
In der Erwachsenenwelt sieht es sowieso noch trauriger aus. Machtdemonstrationen mittels Waffen gilt vielerorts als das Kommunikationsmittel erster Wahl. Anhänger aufhetzen mit frei erfundenen „Ideen“. Einzelne Schlagworte in die Menge werfen, ohne ihre Umsetzbarkeit und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, zu bedenken oder eben bewusst zu verschweigen. Oder einfach den Hass freisetzen, indem man zufällig Opfer auswählt, die man der feindlichen Gruppe zurechnet.
Wovon man nicht sprechen kann, darauf sollte man besonders seine Aufmerksamkeit richten. Wenn der Klient in der Psychotherapie nur schweigt, steht das Belastende, das ihn/sie verstummen lässt, wie ein Elefant im Raum und kann doch nicht erforscht werden. Aber der Elefant ist da.
Worte können verletzen. Nicht gesagte Worte können Wunden hinterlassen. Kommunikation ist schwierig, aber Sprache ist eine der großartigsten Fähigkeiten, die wir entwickelt haben, wir sollten sie nutzen, statt uns die Schädel einzuschlagen oder statt die Gefühle tief in uns zu vergraben, bis sie uns auffressen. Sprache kann helfen, Verbindungen herzustellen, in den anderen ein Stück weit hineinzusehen.
Wittgensteins Vorwort zum Tractatus logico-philosophicus lautete:
„[…] Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen, der die Gedanken, die darin ausgedrückt sind – oder doch ähnliche Gedanken – schon selbst einmal gedacht hat. – Es ist also kein Lehrbuch. – Sein Zweck wäre erreicht, wenn es Einem, der es mit Verständnis liest, Vergnügen bereitete.
[…]
Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen.
Das Buch will also dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken: Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müßten wir beide Seiten dieser Grenze denken können (wir müßten also denken können, was sich nicht denken läßt).
Die Grenze wird also nur in der Sprache gezogen werden können und was jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.“
Weiter hinten im Buch steht:
„Einen Satz verstehen, heißt wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.)
Mit den Sätzen aber verständigen wir uns. Es liegt im Wesen des Satzes, daß er uns einen neuen Sinn mitteilen kann.“
Die Satzbestandteile müssen eine Bedeutung haben: „Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist„. So weit so klar. „Sätze können nichts Höheres ausdrücken“ kann ich auch nachvollziehen, allerdings sagte Wittgenstein auch: „Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammengestellt„, und später: „Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen“.
Die Brücke dazwischen kann vielleicht aus Bildern gebaut werden und daher aus Sätzen. Wir sollten es zumindest versuchen.
Da steckt vieles an Erklärungen drin, die ich schon vor etlichen Jahren, ohne es weiter aufdröseln zu wollen, für meine persönlichen Nutzen des Bloglebens entdeckt und dem zugrundegelegt habe, einschliesslich der Vorstellung dessen, dass verschlüsselte, nicht allzu offensichtliche Befindlichkeitsmitteilungen in Wort und Bild befreien wirken, selbst wenn niemand sonst sie versteht und falls doch, wäre es okay, weil es eben doch noch jemanden gäbe. Die Gratwanderung zwischen Mitteilung und Vorbehalt wäre, bei Talent dazu, vielleicht noch in der bildenden Kunst gegeben, aber einfach nicht schnell genug mit der gewünschten, bedarften Erleichterungswirkung. Das Wittgenstein’sche Zitat vom Schweigens, wo man sich verbal nicht mitteilen könne, habe ich aus meiner persönlichen Sicht immer als fatal empfunden. An anderer Stelle habe ich mich gerade über das Dasein als sogenanntes Nebelkind von kriegstraumatisierten Eltern ausgetauscht, die mit ihrem Schweigen mit Tabus erstickende Botschaften über alles gebreitet haben. Dagegen hilft nichts anderes, als Wege der Kommunikation mit anderen zu finden, indem man sich an den Tabus vorbei und unter ihnen herauswindet und die Wahl der Mittel stellt tatsächlich eine Herausforderung dar.
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Ich stimme dir voll zu. Meiner Meinung nach geht Kommunikation sowieso nur über Bilder (zumindest bin ich so ein visueller Typ) – manche werden mit Worten beschrieben andere können es eben wirklich malen/zeichnen. Ich leider nicht. Aber schweigen, weil man es totschweigen will, halte ich für höchst ungesund. Ich kenne es leider auch aus der Familie. Toxisch, besonders wenn jede Form der natürlichen Reaktion, selbst Freude, nicht erwünscht ist. Für mich ist Wittgenstein im tractatus zwar wunderbar logisch vorgegangen, aber wie er selbst sagt, bleibt der Wille den Psychologen überlassen 😊 aber gerade den sollte man auch äußern können – also gerade für das Unaussprechliche sollte man ein Ausdrucksmittel finden.
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Die Äusserungen unbefangen rückhaltloser Freude quasi als problematische Herausforderung an sich verkapselt habende Menschen als unerwünscht vermittelt zu bekommen, ist eine bittere Zurückweisung, die einen über Jahrzehnte hemmen kann. Zugleich vermittelt sich mir dies als Bild aus der Hundeerziehung, wie ich diese mitangesehen habe. Wegweisend und im zweifelsfall strafend, gleich zwei gute Gründe, es ganz anders zu machen.
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