Wie es sich für Serienjubiläen gehört gibt es auch auf meinem Blog rund um den 100. Beitrag „alte Folgen“ zu schauen/lesen:

Anmerkung vorab: Meine Tochter schwankt derzeit (mit 3 Jahren) zwischen Berufswunsch Ärztin (speziell Augenärztin), Friseurin und Osterhase.


Eine flog über das Plüschvogelnest

Als E etwa 2 Jahre alt war, hatte sie ein Lieblingsplüschtier. Den Stoffvogel nahm sie überall hin mit, er musste auf allen Familienfotos mitabgelichtet werden und war Vertrauter, Tröster und als ihr liebster Spielkamerad stets an ihrer Seite.

So waren es abwechselnd ich oder ihr Stoffvogel, die mit der Ausrüstung ihres Arztkoffers untersucht wurden. Die Ambitionen meiner kleinen Tochter als Ärztin erfreuten mein Herz. Bei jedem Instrument, das sie aus ihrem roten Plastikkoffer nahm, sagte sie brav den Namen des Dings (Stethoskop, Hammer, Spritze, Pinzette) oder zumindest etwas, das ähnlich klang und imitierte das Herzgeräusch mit einem lauten „bumm, bumm, bumm“ während sie beliebige Körperteile abhorchte. Da es sich um ein einfaches, funktionsloses Spielzeug handelte, hatte ich ihr immer fleißig „bumm, bumm, bumm“ vorgesprochen, wenn ich das Stethoskop an ihren Brustkorb hielt.

Einmal beobachtete ich sie dabei als sie ihren Plüschgefährten einer gründlichen Visite unterzog. Zunächst horchte sie ihn ab, dann klopfte sie mit dem Reflexhämmerchen auf ihm herum.  Als nächstes wurde Temperatur gemessen und an den Federn mit der Plastikschere gewerkt.  Schließlich holte sie die Spritze aus dem Koffer. Und dann passierte es.

Ich selbst hatte in den letzten Jahren ja fast schon ein medizinisches Kurzstudium auf Basis von über 200 Folgen Grey’s Anatomy (plus einigen Wiederholungen!) absolviert und war daher bereits mit den unaussprechlichsten Grauslichkeiten, die Chirurgie so zu bieten hat auf TV-Serien-Niveau gut vertraut. (Ich kann ja eigentlich kein Blut sehen und schon gar keine Operationen, aber was nimmt man nicht alles in Kauf für einen halbwegs spannenden Plot während des täglichen workouts auf dem Crosstrainer vor dem Fernseher). Doch was nun folgte, ging mir durch Mark und Bein.

Meine kleine freundliche E mit den rehbraunen Bambiaugen und dem gewinnenden Lächeln verabreichte der gelben Disneyfigur gezählte 7 Spritzen in seinen überdimensionalen Kopf (auch die Augen wurden nicht ausgelassen! – mich überkam ein Würgereiz). Anschließend holte sie aus ihrer kleinen Werkzeugkiste die Fuchsschwanzsäge aus Plastik hervor und „sägte“ dem Stofftier mit den Worten „ritsche ratsche“ seelenruhig den Kopf entzwei. Danach wurden die Flügel und die Füße abgeschnitten! Nach getaner Arbeit nahm sie die Pinzette und klebte ein unsichtbares Pflaster drauf.

Ich war schockiert.

Die Szene hatte etwas von der brutalen Traurigkeit aus „Einer flog über das Kuckucksnest“ an sich, und rein gar nichts von der lustigen Leichtigkeit der „brain transplant“-Episode aus Friends (The One With Joey’s New Brain). Natürlich war der Stoffvogel unversehrt geblieben, aber im Spiel hatte sie gerade eben skrupellos und ohne mit der Wimper zu zucken, hochkonzentriert und mit ruhiger Hand einen neurochirurgischen Eingriff vorgenommen UND gleich auch noch ein paar orthopädische Amputationsmaßnahmen gesetzt.

Mir wurde schlagartig klar, dass meine kleine E später wohl kaum einmal als Friede/Freude/Eierkuchen-Homöopathin zur Globulisierung der Welt beitragen würde. Die kleinen Kugerln, das war nur Kinderkram. Nein, Chirurgie, schön blutig mit Säge, das machte Spaß!