Ereignis Nummer 1: In Österreich steht eine nicht ganz unbedeutende und womöglich richtungsweisende Stichwahl vor der Tür.
Ereignis Nummer 2: Kürzlich wurde der „GEOnomic Award“ verliehen. Für den wird man nicht nur nominiert, dafür muss man tatsächlich mit Wissen und eigener fundierter Meinung glänzen. „man“ sind dabei übrigens Schüler und Schülerinnen. Statt des DSDS gibt es hierzulande also einen ÖSDGUWKC (am Akronym könnte noch gefeilt werden, aber es geht ja nicht um Marketing): „Wir suchen den Geographie und Wirtschaftskunde Champion“ heißt es in der Ausschreibung. In der Berichterstattung über die Preisträger wurde betont, dass u.a. weltpolitische Themen behandelt wurden.
Es beeindruckt mich, wenn sich junge Menschen mit Erdkunde und Politik nicht nur zum Erreichen einer passablen Note, sondern tatsächlich aus eigenem Interesse intensiver auseinandersetzen. Gerade in jungen Jahren hätte mich so etwas nicht gereizt. Als Mutter denkt man aber doch anders darüber. Die beiden Ereignisse knabberten einige Zeit an meinen Hirnwindungen. Herausgekommen ist Folgendes:
Musikalische Früherziehung (MuFrüh) gehört ja sozusagen schon zur Grundausbildung ab dem Säuglingsalter: Kopf heben, sitzen lernen, brabbeln, Klanghölzer ablutschen (für die Immunabwehr unheimlich wichtig – da kann man die ersten 5 Kinderkrankheiten schon vor Beginn des Kindergartens getrost als erledigt abhaken), Rasseln auf dem Kopf der Babies anderer förderwütiger Eltern zum Klingen bringen etc. Ein alter Hut.
Es wird Zeit für politischen Preschool Unterricht & Proporz Studien (PoPups)!
Ich stelle nun den Verlauf der ersten PoPups-Lektion mit einer fiktiven 3-Jährigen vor. Wir wollen uns den politischen Themen behutsam nähern. Also erst einmal die Basics:
Landeskunde Österreich
Ich: Österreich ist ein Land.
3-Jährige: So wie Australien!
Ich: Ja, aber Australien ist auch ein Kontinent.
3-Jährige: Was ist ein Kontinent?
Ich: Das ist ein Erdteil, drum herum ist Wasser, das Meer. Zumindest auf den meisten Seiten. Es gibt auch Subkontinente, aber egal.
3-Jährige: In Australien leben die Kängurus!
Ich: Genau!
3-Jährige: Und die Pandabären!
Ich: Nein, die KOALAbären! Die Pandabären leben in China … und in Zoos, aber dann gehören sie noch immer den Chinesen. So, jetzt aber zurück nach Österreich.
3-Jährige: Fahren wir heute nach Österreich?
Ich: Nein, wir sind schon in Österreich. Wir leben IN Österreich.
3-Jährige: Der Papa auch?
Ich: Ja, der Papa lebt auch in Österreich. Wir leben ALLE in Österreich.
3-Jährige: Und wer lebt dann in Australien?
Ich: Also mit ‚alle‘ meinte ich uns vier, nicht alle Menschen. Es gibt Menschen, die leben in Österreich und Menschen, die leben in Deutschland und …
3-Jährige: Wer lebt in Deutschland?
Ich: Die Deutschen leben in Deutschland.
3-Jährige: Wir sind Deutsche!
Ich: Nein, wir sind Österreicher, wir sprechen nur deutsch.
3-Jährige: Hm, meine Puppen sprechen auch deutsch. [fängt an, mit ihren Puppen zu spielen]
Ich: Ja. So. Also, Österreich ist eine Bundesrepublik. „Res publica“ – eine öffentliche Sache. Das ist die Staatsform. Von der Regierungsform her sind wir eine semipräsidentielle repräsentative Demokratie. „Demos“ ist griechisch und bedeutet „das Volk“. Deshalb müssen Papa und Mama morgen wählen gehen.
3-Jährige: Ich will auch wählen gehen!
Ich: Dafür bist du noch zu jung. Du darfst erst mit 16 wählen gehen.
3-Jährige: Ich will aber so gerne wählen gehen! Ich bin schon 16!
Ich: Nein, du bist erst 3. Weißt du eigentlich was eine Bundesrepublik ist?
3-Jährige [schmollt noch, weil sie nicht wählen darf – meine Lektion trägt also bereits erste Früchte!] hmpf…
Ich: In einer Bundesrepublik gibt es verschiedene Bundesländer. Unser Land besteht also aus mehreren Ländern.
3-Jährige: Gibt es da auch einen König, so wie beim tapferen Schneiderlein?
Ich: Nein, wir haben einen gewählten Präsidenten. Allerdings gibt es noch so etwas wie Landesfürsten. Die denken, sie seien allmächtig. Und manch einer behauptet das Amt des Präsidenten wäre nur das eines Grüßaugust. Also ein bisschen ist es schon wie im Märchen bei uns.
3-Jährige: Und gibt es auch eine Prinzessin? [zitiert mit tiefer Stimme aus dem Märchenbuch] „Ich will die Prinzessin zur Frau und das halbe Königreich!“
Ich: Hm, na ja, direkt Prinzessinnen gibt es bei uns nicht, aber es gibt die Freunderlwirtschaft, da werden die Freunde behandelt wie Prinzen und Prinzessinnen und halbe Königreiche unter der Hand verschoben. Also irgendwie …
3-Jährige: Ich habe auch eine Freundin! Im Kindergarten. Ich habe Hunger. Kann ich eine Banane essen?
Ich: Natürlich, gerne. Ich brauche jetzt auch eine Pause. Übrigens, weißt du, was eine Bananenrepublik ist?
PoPups-Lektion 2 nächste Woche beschäftigt sich dann mit den Bundesländern (wie viele, wo, Hauptstädte, was unterscheidet die Burgenländer von den Tirolern) und den Grundrechnungsarten (1=9=95=15+80¹; ) in Politik und Wirtschaft (z.B. viel ist nicht nichts, aber es könnte immer noch mehr sein)
¹95 politische Bezirke = 15 Statutarstädte und 80 Landbezirke
Zunächst ganz herzliche Gratulation zum einzigartigen Imaginationsvermögen – eine Dreijährige so lebensecht aus dem Hut zu zaubern… Alle Achtung!
Auch die Beschreibung von Österreich wirkt auf mich lebensecht. Ob das allerdings auch ein Anlass zur Gratulation ist, bleibe dahingestellt… (oder auch dorthin – egal, stellen wir’s einfach irgendwo hin)
Auf die Gefahr hin, besserwisserisch zu wirken: Die Geschichte mit Australien halte ich für ein Gerücht. Da hat jemand beim Buchstabieren geschlampt und aus Austria Australia gemacht. Und jetzt behauptet man einfach, dieses sagenhafte Australia sei irgendwo ‚Down Under’.
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Ich schüttle die Kinder in meinen Erzählungen einfach passend aus dem Ärmel. Schwups und … oh, ich erfahre gerade, in der Biologie wird das ganz anders dargestellt. Na ja, manche Erkenntnisse stellen sich so ein, wie das Kind bei der Jungfrau.
Wo war ich nochmal? Was war der Anlaß für diesen wirren Exkurs über’s Kinderkriegen (was für ein furchtbares Wort!)? Ich bin eben mit dem Kopf gegen die Gratulation gestoßen, weil sie der Zufall irgendwo hin gestellt hat und bin noch ganz benommen.
Ah, ich sehe schon „geschlampt“ und Geografie. Ja, diese beiden Begriffe haben für mich immer schon zusammen gehört:
N, S, O, Westen – in Geografie soll mich bitte niemand testen!
Bezüglich Australien möchte ich anmerken, dass es zumindest realistisch gemacht ist: „Crocodile Dundee“ und „Einstein Junior“ würden einiges einbüßen ohne den australischen (out)background.
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Man soll Kinder nicht mit Bädern ausschütten – von Ärmeln und Schütteln hat ja niemand was gesagt. 😉 Die Biologen stellen das sicher einfach unnötig kompliziert dar. Aber Kinderkriegen ist ein fürchterliches Wort – ob mit dem Bad aus dem Ärmel geschütte(l)t oder ob aus biologischem Anbau.
So ein blöder Zufall – stellt die Gratulationen einfach mitten in die Landschaft. Tsts…
Australien ist irgendwie schon sehr realistisch gemacht. Vielleicht könnte man es ja ehrenhalber für echt erklären. 🙂
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Genau das mit dem Buchstabierfehler dachte ich neulich, als ich gelesen hatte, das Australien beim ESC dabei war. Ich dachte einfach, dass entweder beim Übersetzen von Austria ins Deutsche was schief gegangen wäre, oder die Rechtschreibkorrektur machen durfte was sie wollte.
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Und es würde auch erklären, warum das australische Englisch so …anders klingt. Ist halt nicht die Muttersprache der Österreicher 😉
Wenn Australien den ESC gewonnen hätte, das wäre erst lustig geworden. Die Hälfte der Teilnehmer+Fans im nächsten Jahr kämen womöglich nach Ö und die anderen 50% bestreiten am anderen Ende der Welt (gibt es das eigentlich, ein Ende der Welt, wo doch es sich doch um eine Weltkugel handelt?) DEN europäischen Lieder Wettbewerb 🙂
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Das wäre in der Tat witzig geworden, schon wegen der TV-Übertragungszeiten. Ich finde gar nicht, dass die komisch klingen, ich war wohl lange genug dort.
Ich habe gerade gelernt, dass das Deutsche Helvetismen kennt, gibt es auch Austriatismen? Also geben schon, aber wie heißen die?
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Austriazismen gibt es sogar recht viele 🙂 Bei den Namen von Nahrungsmitteln sowieso (Tomaten vs. Paradeiser, Kartoffeln vs. Erdäpfel, Quark vs. Topfen, Klöße vs. Laibchen etc.).
Sehr ausgeprägt kommen recht österreich spezifische Ausdrücke auch in Episoden vor, die sich z.B. in der Wiener Bim (Straßenbahn) abspielen, wenn sich zwei Fahrgäste (stark betrunken, Ö: bummzu) nicht wohl gesonnen sind. Einen Dialog der folgenden Art durfte ich so oder so ähnlich einmal live verfolgen: „Moch an Schuach, du angrennts Nudlaug, oder i stich di mit meim Feitl o!“ – „Hoit dein Schlapfn oder i drah di ham, du schiachs Gfrastsackl!“ In einem solchen Falle ist es ratsam, sich ehebaldigst einen anderen Sitzplatz zu suchen (in einem anderen Wagon oder noch besser der nachfolgenden Bim)
Weitere Beispiele von Austriazismen findet man übrigens z.B. im (deshalb) lehrreichen und amüsanten Buch „6 Österreicher unter den ersten 5“ von Dirk Stermann
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Austriazismen – schönes Wort! 🙂
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Gestern Abend habe ich angefangen Das Buch „Die Naschmarktmorde“ zu lesen. Austriazismen allerenden!
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Vielleicht ist Australien überhaupt ganz einfach das Ergebnis einer autoamoklaufenden Rechtschreibkorrektur? 😉
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unser hauptproblem ist zurzeit tatsächlich die bildung, viel mehr regen mich aber falschinformationen dieser partei auf.. hab erst letztesn in einem blog versucht etwas richtig darzustellen. gratulation zu deinem artikel, bevor ichs vergesse 🙂 schau mal rein wenns dich interessiert 🙂
https://bertafleckcom.wordpress.com/2016/05/19/ueberparteiliches-rechenspiel/
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Groooßartig. Ich wusste ja schon, dass es in Österreich Bananen gibt (das unterschied Österreich vor 1990 auch von der DDR 😉 ), aber das mit dem Wahlalter hatte ich tatsächlich verdrängt. Ich behaupte übrigens: Es wäre sinnvoll, das Wahlalter weiter abzusenken. Spätestens zur Bundesratswahl (? So heißt das Parlament bei euch, gell?). Der HC sieht so nach Kinderschreck aus, da wählen die Kiddies doch lieber die neos … Zumindest die Mädchen-Kiddies … Wegen der schönen Farbe. *gg*
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Die Bananen sind (Super)markt-endemische Pflanzen in Österreich, die tatsächlich so zahlreich in den Märkten vorkommen, dass sie sogar verkauft werden. Geschälte Gurken bekommt man bei uns dafür eher noch nicht, da sind wir also noch ein bisschen rückständiger als andere Länder es in den 90er waren.
Du meinst die Nationalratswahlen. Der Bundesrat ist das, worüber nur dann diskutiert wird, wenn es um seine Abschaffung geht 😉
Ich hatte auch tatsächlich schon kurz überlegt über die Farbpalette der Parteienlandschaft in Ö etwas zu schreiben und bin dabei auch darauf gestoßen, dass das Neos-Pink (oder Neon-Pink?) irgendwie die einzige Trendfarbe für Girlies und Glitzer-Rosa-geprägte Mädchen sein dürfte. Darüber sinne ich noch ein wenig nach, bevor ich mit meiner Tochter die Parteienlandschaften mit Wasserfarben zu malen beginne. Das Bananengelb ist in Ö politisch vor langer Zeit wieder verschwunden. Was wir dann wohl für die liebe Sonne verwenden könnten (die darf ja auf keinem Landschaftsbild fehlen)? Nur ein blauer Himmel ist doch auch irgendwie langweilig auf Dauer.
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Aber wenn man Morgenröte an den Himmel malt, landet man erst im Burgenland und kommt dann auf die Idee, das sei die Abenddämmerung. Für alles danach sehe ich ja schwarz. Die Sache mit der Farbenlehre hat durchaus ihren Reiz, wie ich gerade merke.
Aber da schau her. Ich wage ja zu behaupten, mich in der politischen Ordnung meines südlichen Liebligsnachbarlandes zumindest rudimentär auszukennen (ich kriege sogar eure Bundesländer hin, wenn auch nicht alle mit Hauptstädten), aber dass es bei euch eine zweite Kammer gibt, ist mir völlig durchgegangen. Da sag noch mal einer, das Internet bildet nicht.
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🙂 Solange du die wichtigsten 9 Hauptstädte von Ö kennst, ist es ja nicht so schlimm, wenn du nicht alle weißt.
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