Für die Schreibeinladung von Christiane hat diesmal Sabine vom Blog „wortgeflumselkritzelkram„ die drei Wörter
Lesezeichen
altersschwach
hüpfen
beigesteuert. Obwohl das Hüpfen nach einem eher lustigen Thema verlangt, zieht mich das „altersschwach“ offenbar in die dunkelsten Untiefen meiner Gedanken:
Es waren nicht die altersschwachen Tiere auf die sie es abgesehen hatten. Nein, gerade die jungen, kräftigen waren es, jene, die richtig hüpften, wenn sie das erste Mal getroffen wurden. Keiler, Bachen, Überläufer – ganz egal. Manchmal sogar Frischlinge. Auf dem privaten Grundstück, gut eingezäunt, um jegliches Entkommen zu verhindern, hinter meterhohen Zypressen als Sichtschutz konnten sie genüsslich ihrem Hobby frönen, wann immer ihnen danach war. Welch ein Gejohle stimmte an, wenn sich ein verletztes Tier im ersten Schock noch einmal aufrichtete und zu fliehen versuchte.
Als sie das Video von der Gatterjagd das erste Mal gesehen hatte, waren ihr die Tränen in wahren Bächen über die Wangen gelaufen.
Seither liefen die Bilder wieder und wieder ab, wie in einer Dauerschleife. Nicht auf dem Bildschirm. Die 90 Sekunden waren so eine unsagbare Qual, das konnte sie nicht noch einmal durchstehen. Aber vor ihrem inneren Auge wiederholte sich das Gemetzel Tag für Tag, besonders nachts. Das Gemetzel fand unweit ihrem Zuhause zwei-, dreimal pro Jahr statt. Tränen hatte sie schon lange keine mehr übrig.
*-*-*-*
Das Buch, das sie auf dem Beifahrersitz liegen hatte, fiel unsanft auf die erdige Fußmatte. Natürlich war das Lesezeichen heraus gefallen und irgendwo unter dem Sitz verschwunden. Das aufgeschlagene Buch hatte einige Eselsohren abbekommen. Der Igel hingegen schien völlig unbeeindruckt von der Vollbremsung, die sie hingelegt hatte. Gemächlich trippelte er über die Straße und verschwand hinter einer Hecke. Etwas zittrig startete sie den abgestorbenen Motor wieder. Hauptsache der Igel lebte.
*-*-*-*
Angespannt wartete sie bei ausgeschalteten Scheinwerfern nur im Mondlicht und starrte durch das offene Fenster auf die dunkle Hofzufahrt. Da kamen Lichter die Straße herauf. Sie zielte. „Mal sehen, ob du es auch noch lustig findest, wenn du das arme Schwein bist …“ zischte sie in die Dunkelheit hinaus, dann drückte sie ab.
Dein Text lässt mich zwiespältig zurück… unfassbar, wie grausam Menschen sein können. Aber auch ich würde keine Selbstjustiz üben. Wobei die Abgründe in jedem von uns manchmal unerforscht sind…
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Man ist ja schnell dabei zu sagen, dass so jemand es nicht verdient zu leben. Andererseits verdienen so Menschen statt dem Tod vllt einfach nur Mitleid, weil sie die Welt irgendwie falsch sehen.
Toller Text, der einen irgendwie wütend udn anchdneklich macht.
Grüße, Katharina.
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Ich bin ja selber im Tierschutz involviert, und manchmal wünsche ich mir eine ähnliche Situation herbei. Aber ob ich wirklich abdrücken könnte, bezweifele ich dann doch. Denn wäre ich dann nicht genauso hart wie diese Tierquäler? Schwere Frage.
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Ich kanns verstehen. Aber selbst zur Waffe greifen? Diese Linie könnte ich nicht überqueren – glaube ich. Aber ich kenne diese besinnungslose Wut …
Liebe Grüße
Christiane
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puh … nachvollziehbar ist das, aber ich denke: lieber nicht!
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Wut ja, aber Selbstjustiz: NEIN!
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absolut nachvollziehbar. manchmal will man einfach nur noch abdrücken
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Hossa – da bekommt aber jemand seine gerechte Strafe!
Grossartig beschrieben!
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