Aus 10 Worten 1 Geschichte machen? Klingt doch total easy. Allerdings sind die Worte vorgegeben. Na gut, dann halt noch ein paar Wörter rundherum anordnen und schon ergibt das Ganze einen Sinn –  zumindest wenn man den Text an einem Freitag, den 13. auf dem Friedhof einer vorbeilaufenden schwarzen Katze rückwärts vorliest und eventuell schon ein paar Promille intus hat.

(Schlechten) Scherz beiseite, her mit den Wörtern, denn probieren will ich das auf jeden Fall. Also nicht die hochprozentige Versammlung auf nächtlichen Friedhöfen (#werhättelustaufsowas?), sondern lieber die Wortschmiederei.

Die Wörter und die Vorgabe („10 Wörter aus und verarbeitet sie in einem Text. LÄNGE: egal. TEXTART: egal“) stammen – ich möchte beinahe sagen natürlich – vom Etüdensommerpausenintermezzo der lieben Christiane. Los geht’s.

Sommeretüdenintermezzo II-1 | 365tageasatzaday

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Wenn man der Flüsterpropaganda im Boboviertel Glauben schenken durfte, so war die Graugans aus Holz (Höhe 35 cm, Holz aus nachwachsendem Bestand, biologische Oberflächenbehandlung) aus dem  Einrichtungshaus der nordischen Kette das neueste Muss für den gepflegten Vorgarten im Grätzel.

Und für die Helikoptermutter war das Glas Saft der Johannisbeere gegen die leichte Oberermittelstandsdepression nach dem Frühstück längst ein fixer Bestandteil des minutiös geplanten Morgens geworden, ebenso wie das Stück Knäckebrot mit Gurkengelee zum gelben Safransmoothie.

Nur dass das Kaninchenstallscharnier plötzlich nicht mehr seinem Zweck dienen wollte und die Langohren daher behelfsmäßig kurzfristig zur Schwiegermutter übersiedelt werden mussten, war nicht vorhersehbar gewesen.

Wenig erfreut wurden die beiden Langohren in die Katzentransportbox gesteckt und aus dem hippen Innenstadtbezirk an den Stadtrand kutschiert, um dort den Tag auf der Veranda mit der alten Dame zu verbringen.

Als Gegenpol zur Hektik der schwer erarbeiteten Work-Life-Balance des einzigen, stets  wohlbehüteten Sohns und seiner Frau – der zugemuteten Schwiegertochter, einem Nichtakademikerhaushalt entsprungen – fröhnte die Schwiegermutter einem Langsamkeitswahn, der seinesgleichen suchte. Den Kaninchen war dies anfänglich jedoch nur insofern unrecht, als auch die Bereitstellung von Heu und Pellets in einem Schneckentempo erfolgte, mit welchem die Gattin des Hofrates gerne auch ihren Sarkasmus über Mitmenschen ausschüttete, welche es in ihren Augen nicht besser verdient hatten.

Unter den bunten Lampions, mit welcher die Veranda seit dem Sommerfest 2014 dauerhaft geschmückt war, machte die alte Dame so kleine Trippelschritte, dass selbst der leichteste Windhauch ihnen Einhalt hätte gebieten können.

Zurück im Haus begab sich die Gattin des Hofrates in das Kinderzimmer unter dem Dach und nahm so gemächlich wie immer ihren Lieblingsplatz neben dem Schaukelbären ein,  den sie mit wippendem Fuße gleichmäßig und ohne Unterlass anschubste.  Minute für Minute, Stunde um Stunde schaukelte der alte braune Bärenkopf mit den zerkratzten Glasaugen einer ziellosen Zukunft entgegen.

In der Waldeinsamkeit der Vorstadtvilla hatte jahrelang ihr Gestaltungswille durch die Zimmer geweht, einem Wirbelsturm nicht unähnlich. Eine „Wanderbaustelle“ hatte der Hofrat sein Heim lange Zeit schmunzelnd genannt und dabei seiner Frau zuzwinkernd die Hand auf die schmale Schulter gelegt. Nur das Kinderzimmer des Sohns war die ganze Zeit unberührt geblieben. Hierher also kam sie nun Tag für Tag seit der Schlaganfall ihrem innenarchitektonischen Treiben jähen Einhalt geboten hatte und sehnte sich zurück in eine gesündere, aktivere Zeit.

Als die Schwiegertochter abends die Tiere wieder abholen kam, fand sie selbige noch immer im Katzenkäfig verstaut auf der brütend heißen Veranda vor. Die unerbärmliche Sommerhitze hatte ihr Schärflein dazu beigetragen, dass derFamilienurlaub diesmal ohne überbezahlten Tiersitter für die „Häschen“ stattfinden konnte.

Die alte Dame aber saß noch immer im Lehnstuhl und schaukelte verträumt  mit dem Fuß den fast kahlen Plüschbären, ein sanftes Lächeln auf den Lippen, wie es sich für eine richtige Tiefreundin gehört.