abc-Etüden: Wilde Wünsche

Berliner, Bleiklumpen, Christbaumständer, Karpfen, Kuss, Heuchelei, Hoffnung, Neujahrsläuten, Notaufnahme, Rauhnächte, Vorsätze, Wunderkerze

Aus diesen Wörtern dürfen wir drei auswählen, um sie in maximal 10 Sätzen zu verpacken – die abc-Etüden, zu denen Christiane einlädt. Die Illustration stammt vom Etüdenerfinder lz

„Einen Karpfen! Einen Karpfen!“ ruft das Mädchen aufgeregt und presst den kleinen Zeigefinger fest gegen das Glas der Vitrine.

„Das ist ein Krapfen, nicht ein Karpfen“ verbessert die Mutter lachend und bittet die ratlose Verkäuferin in der Konditorei um einen „Faschingskrapfen“.

Die Dame hinter der Theke versteht noch immer nicht, was die lauten, seltsamen Kunden von ihr wollen und deutet verwirrt mit der Zange auf verschiedene Leckereien.

„Nein, nein, ich will den größten Faschingskrapfen mit viel Zucker oben drauf!“ ruft das Mädchen und schüttelt energisch den Kopf, aus Angst, sie könnte das Falsche bekommen.

„Ich glaube, das Kind will einen Berliner“ versucht die Frau hinter der österreichischen Familie in der Warteschlange schließlich zu dolmetschen, in der Hoffnung so die eigene Wartezeit verkürzen zu können.

Die Augen des Mädchens werden ganz groß und es zieht rasch den Zeigefinger zurück, einen deutlichen fettigen Abdruck auf dem Glas hinterlassend. Dann drückt sie sich ganz eng an ihre Mutter und flüstert deutlich vernehmbar:

„Sind das hier etwa Kannibalen?“

Gestern im Zug nach Deutschland hat ihr der Vater zum Zeitvertreib die Geschichte von Robinson Crusoe erzählt, aber sie hat nicht erwartet, dass ihr erster Urlaub ins Nachbarland genauso gefährlich sein würde wie eine Schiffsreise in die abgelegensten Winkel der Erde!