Hoppla, da hatte ich ja noch etwas angefangen, aber nicht rechtzeitig fertig bekommen. Nun ja, dann muss ich es wohl ein bisschen adaptieren, was jetzt nicht so banal war, wie zu 45 noch 1 hinzuzählen, damit aus der Etüde der Textwoche 45 eine abc-Etüde der Textwoche 46 wird. Eingeladen dazu hat wie immer Christiane, die Grafik hat Herr lz (ludwigzeidler.de) beigesteuert und die – in diesem Ausnahmefall 6 Worte – kamen von Elke H. Speidel (transsilabia.wordpress.com) und Petra Schuseil (wesentlichwerdenblog.wordpress.com)

2017_46.17_eins_lz | 365tageasatzaday


„Mama, wusstest du, dass die in Deutschland Schemie und Schinesen sagen und nur wir in Österreich das als Kemie und Kinesen aussprechen?“

Das Mädchen dreht gedankenverloren ein leuchtend gelbes Ahornblatt zwischen seinen Fingern hin und her und stupst einen Feuerkäfer an, der den Baumstamm hinauf krabbeln wollte, aber nun vor Schreck erstarrt.

„Schina, Schemie, isch lach misch kringelig!“ ruft sie und sieht zu, wie das Ahornblatt lautlos, sich drehend zu Boden fällt.

„Sich kringelig lachen ist aber auch sehr piefkinesisch oder besser gesagt piefschinesisch!“

Mama lacht kurz laut auf, weil sie den eigenen Witz (natürlich) gelungen findet, räuspert sich und teilt mit der Tochter sodann etwas altklug die banale Weisheit, dass eine gemeinsame Sprache auch das trennende Element sein kann:

„Viele Deutschsprachige können sich untereinander kaum verstehen, bei Schwitzerdütsch bräuchten wir genauso Untertitel wie bei den Vorarlbergern und Osttirolern, und den Norddeutschen wird das Jodeln der Alpenbewohner eher  fremdartig erscheinen.

In richtig großen Ländern sind die Dialekte aber sogar noch viel unterschiedlicher und so wird sich ein Chinese, der auf Chinareise geht, auch sehr schwer tun, alles überall zu verstehen, und in Indien werden überhaupt gleich ganz verschiedene Sprachen gesprochen.“

 

„Aber Mama, warum sollte denn ein Chinese eine Chinareise machen?“ fragt E und fährt ohne auf meinen Vortrag über das Phänomen des Binnentourismus zu warten fort, mir zu berichten, dass sie heute auch eine neue Sprache – nämlich die Lautsprache – gelernt habe, die man immer laut aussprechen müsse.

„Na dann wollen wir jetzt noch ein paar Stilblüten pflücken, und danach gehen wir ins Haus, um zu Abend zu essen“ schlage ich vor und grinse breit, weil ich schon ahne, dass mir die Tochter gleich einen ganzen Strauß voller kahl gerupfter Stiele bringen wird.