Eine Schaukel hatte er im Garten montiert. Mit Heimwerkerstolz präsentierte er sie der Familie – seiner Frau und den zwei Kindern. Eine Schaukel. Zwei Kinder.

Was hat er sich dabei gedacht? Wie kann man eine einzige Schaukel aufhängen, wenn man zwei Kinder hat?“ Die Frau war wirklich aufgebracht. Ihr Gesprächspartner am Telefon schien die Empörung nicht zu teilen. Wieder und wieder erklärte sie ihm und allen schweigend mithörenden Fahrgästen des Zugwaggons, dass man vernünftigerweise wohl zwei idente Schaukeln montieren hätte müssen. So aber stritten die Kinder noch mehr als sonst. An Erholung war im Garten nicht mehr zu denken.

Eine Schaukel für zwei Kinder – ganz schön gemein. Warten ist nicht der jungen Menschen Stärke. Und auch nicht die der älteren. Alles was ich will, will ich auf Knopfdruck besser sofort als gleich. Früher war das anders. Da konnte ich noch warten. Es war ein freudiger Schmerz, den ich heute wohl nicht mehr ertragen kann und doch vermisse. Das Warten auf die Antwort der Brieffreundin aus Übersee. Das Warten auf die nächste Folge der Lieblingsserie am nächsten Tag oder gar erst in einer Woche. Das Warten auf das Lieblingslied im Radio. Das Warten, um bei der Schaukel im Hof an die Reihe zu kommen. War es auch nur eine Schaukel? Eine einzige Schaukel für alle Kinder aus dem Hochhaus? Vielleicht waren es auch zwei Schaukeln. Anfangs wahrscheinlich. Dann kamen die Jugendlichen und zerlegten die Spielgeräte aus Holz nach und nach. Jedes Wochenende gab es ein Ding weniger, auf dem man turnen konnte. Gelegentlich wurde auch repariert und täglich schimpfte die Hausmeisterin, wenn sie jemanden dabei erwischte, wie er etwas Verbotenes tat. Aber die Schaukeln und Holzhäuser wurden wieder kaputt gemacht und irgendwann abgebaut oder einfach nicht mehr aufgebaut. Der Kampf der jugendlichen Rebellen gegen die Erwachsenen fiel den Kindern auf den Kopf. Aus dem traurigen Kreislauf ging letztendlich ein leerer Rasen mit einem Sandhaufen und einer Teppichklopfstange hervor. Die Schaukeln – nur noch dunkle Erinnerungen aus schönem sattbraunen Holz.

Im Hof herrschte das Recht des Stärkeren, des Schnelleren und vor allem des glaubhaftesten Lügners. Es wurden Zuckerl versprochen, um schneller dran zu kommen bei der Schaukel. Zuckerl, die niemals gebracht wurden, vermutlich gar nicht existierten. Bei den Leichtgläubigeren wurden Schulden in Süßwaren angehäuft ohne Vorsatz, die Berge an Zuckerzeug jemals zu beschaffen. Es versteht sich von selbst, dass ich zu den (Leicht)Gläubige(r)n gehörte und mich bis heute um viele Schaukelschwünge betrogen fühle.

Während ich an das Telefonat im Zug denke und an meine besten Freundinnen aus Kindheitstagen mit ihren falschen Versprechungen, spüre ich den ruhigen Atem meiner kleinen Tochter direkt neben meinem Gesicht. Sie ist an mich gekuschelt eingeschlafen, hier in der Nestschaukel. Wir wiegen uns sanft hin und her unter dem alten Kirschbaum und ich blinzle zu den leeren Schaukeln hinüber. 3 Schaukeln, 2 Kinder, trotzdem wird auch darum gestritten. Wenn das die Frau aus dem Zug wüsste!

Z schläft lange in meinem Arm. Wind kommt auf. Ein paar dunkle Wolken schieben sich vor die Sonne. Ich halte Z noch ein bisschen fester und meine Gedanken treiben vor sich hin. Mein Herz tut mir weh, wenn ich daran denke, dass es Kinder gibt, die solche Geborgenheit nicht erfahren dürfen. Mein Herz tut mir weh, wenn ich daran denke, was Menschen sozialen Wesen antun, die ihr Leben lang ohne normalen Kontakt zu anderen Artgenossen eingesperrt sind.

Was ist mit dieser Welt nur los?

loewe-china
Einzelhaft auf Lebenszeit. Das Verbrechen: Tier zu sein. Dabei man muss gar nicht in exotische Länder ohne Tierschutzgesetze fahren, um solches Leid zu finden. In heimischen Gärten leiden genug Kaninchen alleine in kleinen Boxen, in heimischen Bauernhöfen stehen tausende Mutterschweine in Metallkäfigen. WAS IST MIT DIESER WELT NUR LOS?