Theatralik ist die Sache des kleinen Mannes nicht. Sie gehört zum Habitus von Königen und gefoulten Fußballspielern. Große Worte wo kleine Gesten ausreichen würden, seitenlange Monologe wo ein Satz genügte.
Vor langer Zeit in Deutschland
Mit dem ersten bürgerlichen Trauerspiel wurde neben Idealen auch Theatralik für die kleinen Leute eingeführt:
„Mein Auge bricht. Dieß war der letzte Seufzer“
stammelt eine sterbende Sara Sampson und tut doch nicht was sie behauptet, sondern lamentiert noch ein wenig weiter.
Böse Zungen würden nun auf die Weiblichkeit der Hauptfigur hinweisen und behaupten, diese stünde in einer allgemein zu beobachtenden positiven Korrelation mit der Anzahl an geäußerten Wörtern. Redebedürfnis eine Sache, die nur Frauen befällt? Die politisch korrekte Bloggerin schnalzt lessinglässig mit der Zunge und haut in die Tasten. Aus Redefluss kann nämlich auch Schreibwut werden.
Theatralik in Wort, Tat und Schrift.
Vor einiger Zeit in Deutschland (und Österreich)
„Wenn ich gehe, wünsche ich, dass es bemerkt wird, dass ich gehe“
Der angemaßte Größenwahn eines verzweifelten Winzlings, der auf alle bis dahin unerdenkliche Arten nach Anerkennung lechzt. Arturo Ui und sein aufhaltsamer Aufstieg ist in seiner Tragik sehr komisch. In der Realität war er alles andere als das. Der Satz aus Brechts Stück über das nicht unbemerkte Gehen hat sich mir zu Schulzeiten eingeprägt und ist dort auch hängengeblieben, in meinen Hirnwindungen. Wie eine Warnung flattert er manchmal im Wind.
Theatralik als Warnung (vor falscher Größe)
Neulich in Niederösterreich
Z ist jetzt in dem Alter, in dem sie ihrer Schwester alles nachmacht und sich von E willig Anweisungen geben lässt, die sie dann jedoch nur mehr oder weniger richtig erfüllt. Bei „Du darfst jetzt nicht weglaufen!“ versteht sie schnell einmal „Jetzt weglaufen!“
Nachdem die beiden einige Zeit ein von E erfundenes Spiel miteinander durchexerziert hatten (anders kann man das wohl nicht nennen, wenn jeder Handgriff der kleinen Schwester exakt vorgeschrieben wird), lief Z ohne Auftrag ins Vorzimmer. E blieb bei mir im Wohnzimmer. Nach kurzem Überlegen meinte sie:
„Z ist ins Vorzimmer gelaufen. Ich muss ihr wohl nachfolgen!“
Sprach’s, seufzte und verschwand.
Abgang.
Theatralik für die ganz Kleinen. Ach ja, und die Nachfolgeregelung ist damit auch erledigt.
*lächel*
Liebe Grüße. Priska
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Beunruhigt es dich nicht, dass sich mit dem Nachfolgen dein gewohntes bürgerliches Trauerspiel langsam aber sicher in eine Tragödie verwandelt? Ich würde zusehen, dass ich in dem Stück die Rolle von Macduff ergattere, bevor man dich für die Lady Macbeth castet … Oder ist es doch eher Hamlet?
Andererseits hat der Brecht-Vergleich ja auch was. Ist aber mehr so ein Fingerzeig, dass irgendwann in Zukunft „Der gute Mensch von Sezuan“ gegeben werden wird, das ja eine Metapher auf die Erziehung ist … Mit den Eltern in der Rolle der Götter. 😉
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Ich komme mir eh die halbe Zeit vor, wie im falschen Stück 😉 Aber die Götterrolle würde mir schon gefallen, wäre sie nicht so ernüchternd
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Tja … Aber über den Dingen zu schweben und sich um reale Probleme nicht kümmern zu müssen, hat durchaus seinen Reiz. ☺
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