Neulich morgens bei uns zu Hause. Nachdem Kinder und Katzen mit Frühstück versorgt waren, der Küchentisch und der darunter befindliche Boden gereinigt, die Katzenklos ausgeräumt, die kleine Z gewickelt und umgezogen, Kleidung für die größere E herausgelegt und eine Jause für den Kindergarten hergerichtet war, sprang ich schnell in die Dusche.

Morgens in Ruhe duschen? Entspannt den Körper verwöhnen und pflegen? Seit in unserem Haus Kinder leben, gehört derartiges zu jener Art von Luxus, die einem nur noch selten vergönnt ist.

Bevor ich im Badezimmer verschwand, spielten beide Töchter friedlich nebeneinander im Wohnzimmer. Kaum schloss ich die Tür und drehte das Wasser auf, schon ging es los: Kreischen, Zanken, Weinen. Der Grund dafür?

  • Es liegen grob geschätzte hundert Dinge im Wohnzimmer herum, die nur dafür gedacht sind, dass sich die Kinder damit beschäftigen können. Die übergroße Zahl an Spielsachen ergibt sich daraus, dass wir derzeit zwei inkompatible Altersklassen bedienen müssen: Jene unter 3 und die über 3. Der 3. Geburtstag trennt in der Spielzeugwelt die Spreu vom Weizen. Davor gibt es nur die, mit dem Prädikatsticker „pädagogisch wertvoll“ gekennzeichneten, farblich eher langweiligen Öko-Holz-auf-Unbedenklichkeit-getesteten Babyspielsachen. Danach gibt es jeden Plastikklimbim, den man sich nur vorstellen kann. Eine Auswahl – unendlich groß! Ein Teil davon hat auch bei uns mit der Zeit Einzug gehalten. Selbstverständlich ist es aber immer nur ein einziges Ding (also nochmals in Worten: EINS), das für beide Mädchen im selben Moment interessant ist – und meistens ist es aus der Kategorie „Nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet
  • Oder E tollt mit Z herum, beide finden es anfangs sehr lustig, doch irgendwann wird es der Kleinen zu wild, die Große ist aber kaum zu stoppen
  • Oder  … ach, es gibt immer einen Grund, warum und worum man einen Tumult veranstalten kann.

Da stand ich also in der Dusche, hörte den Lärm und hatte zwei Möglichkeiten:

Möglichkeit a) Nackt und nass vor die Kinder treten, um zu sehen, was los ist. Bei Anwesenheit eines Kindergartenkindes definitiv keine gute Idee, will man nicht beim Abholen nachmittags von allen Erzieherinnen breit grinsend von oben bis unten gemustert werden, weil der beredte Nachwuchs sein Ich-habe-die-Mama-nackt-gesehen in allen Details schildern musste oder

Möglichkeit b) man brüllt höflich nach dem Mann und überlässt die Friedensstiftung ihm

und dann schoss mir plötzlich Möglichkeit c) durch den Kopf:

Ich bleibe einfach hier in der Dusche. Also nicht nur für die Dauer der Körperreinigung, nein!

Was wäre, wenn ich die Dusche einfach nicht mehr verlasse?

Verdursten werde ich mit Sicherheit nicht. Regelmässige Körperpflege ergäbe sich sozusagen ganz von selbst. Ich habe sogar Tageslicht hier! Vitamin D-Mangel kann damit auch ausgeschlossen werden. Meine größere Tochter würde anfangen im Kindergarten zu erzählen:

„Meine Mama wohnt jetzt in der Dusche! Wohnt deine Mama auch in der Dusche?“

Für die kleinere Z wäre es bald das Selbstverständlichste der Welt, sie würde es nicht anders kennen. Und ich hätte einen im Trend liegenden Titel für meinen Erstlingsroman gefunden:

Die (hübsche? junge? – inwieweit will ich es autobiographisch halten? oder doch eher fiktiv? hm?) Frau, die eines Morgens in die Dusche stieg, den Frieden im Badezimmer genoss und deshalb nie wieder herauskam

Doch dann fing ich an zu zweifeln, ob mein Glück lange anhalten würde, hier in der Dusche, so alleine, so ohne Essen und mit Gesellschaft nur dann, wenn mal jemand auf’s Klo musste oder zum Zähneputzen hereinkam.

Ewig würde mich meine berühmte Darbietung von „The Lion sleeps tonight“ (diese Version lieben auch Kinder) auch nicht bei Laune halten und ich finde gewöhnlich schon die vorgeschriebenen 2 Minuten, die der Hairconditioner einwirken soll, ausgesprochen laaangweilig, wenn ich so darauf warte, dass sie vergehen, diese laaangen 120 Sekunden.

Mitten in meiner Fantasievorstellung über ein Einsiedler-Aussteiger-Leben im Badezimmer gefangen, hörte ich das Tapsen von Kinderfüßen und sah winzige Kinderhände, die gegen die Glastür gedrückt wurden. Hinter Z erschien auch schon bald E und rief

„Mama! Mama! Ich will dir etwas zeigen, ich habe ein …[unverständliches Wort] … für dich gezeichnet!“

Na ja, was soll ich sagen?

Ich kam nach ein paar Minuten frisch geduscht wieder aus dem Badezimmer und war froh darüber – aber ein bisschen träumen wird man wohl noch dürfen, oder?