Mit 2 kleinen Kindern einkaufen zu gehen, kann eine Herausforderung sein.

Selbst wenn sich die Kinder recht brav benehmen und noch nicht einmal auf die Idee kommen, mit halsbrecherischen Turnübungen auf dem Einkaufswagen Mutters ohnedies schon strapazierte Nerven noch mehr zu belasten, kann so ein Einkauf zu einem Balanceakt werden. Ein Balanceakt auf dem hauchdünnen Faden, der die schwindelerregenden Höhen des schlechten Gewissens pädagogisch wertvoller Erziehung von schnöder Genußsucht trennt.

Um als gutes Vorbild in Bezug auf gesunde Ernährung voranzugehen, muss ich also unauffällig in dem Gang mit den Süßigkeiten vor dem Schokoladeregal zurückbleiben und mit einem geübten Blick die Fülle der Ware blitzschnell scannen, ehe die Hand nach vorne schießt, eine Schokoladetafel schnappt und im Vorbeigehen woanders noch eine Packung Quinoa greift, hinter der sich die zuckerlastige, endorphinreiche dunkle Materie verbergen lässt.

Der Zwischenfall

Meine größere Tochter ist stets erpicht darauf, mir „zu helfen“. So ist es mittlerweile unvermeidlich, dass ihr irgendwann, meistens beim Aus- oder Einräumen der Waren an der Kasse, die flache Verpackung auffällt:

„Mama, was ist das?“

Jetzt gilt es, den Nachwuchs in aller Öffentlichkeit nonchalant zu ignorieren, während man geschäftig und flott die Sachen in die Tasche packt.

Doch statt wie sonst einen Kurzzeitrekord für Aufmerksamkeitsspannen aufstellen zu wollen, tönt das Kind mit glänzenden Augen und unersättlicher Neugierde gleich darauf etwas lauter:

„Mama, was hast du da gekauft? Ist das Schokolade?“

Die Wärme im Geschäft und das Tempo an der Kasse, mit dem die Waren hinter dem Scanner auf einer Fläche von ca. einem Din-A5-Blatt aufgetürmt werden, treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Weiterhin gilt: Ignorieren und schlußendlich den Blick starr auf das Bezahlterminal richten. Jetzt nur nicht den falschen Pin eintippen, sonst dauert das peinliche Verhör vor den Augen der hinter mir wartenden Kunden noch länger.

Mit der in Outdoor-Kindergartenanlagen erprobten (und der in Innenräumen an und für sich aufgrund der Ertaubungsgefahr daneben stehender Personen verbotenen) Lautstärke einer aufgeweckten 3-Jährigen ruft E dann, überzeugt davon, dass ich ihre wichtige Frage wohl nur überhört haben kann, so laut und deutlich, dass es auch wirklich alle im Geschäft Anwesenden hören können:

„MAMA! WAS hast du da gekauft? Kann ich das anschauen? Ist das SCHOKOLADE?“

Und was antworte ich?

„JA! JA! ES IST SCHOKOLADE! Ich gebe es zu, ich bin süchtig danach. Nicht nur der Osterhase und der Nikolaus bringen Schokolade. Man kann sie einfach kiloweise kaufen. Sie ist eine herrliche Belohnung, wenn etwas toll funktioniert hat, und der beste Trost, wenn nicht. Sie ist einfach perfekt!“

Ich breche weinend neben dem Ausgang zusammen. Die Menschen in der Schlange und die Kassierin starren mich an. Alles Leben in dem Geschäft erstarrt.

Ach nein, das war ja Dornröschen, wo alle in einen tiefen Schlaf sinken. Puh!

Also, was ist wirklich passiert?

Die reuigen Worte kamen nicht über meine Lippen (eher hätte ich mir die Zunge abgebissen), es flossen auch keine Tränen der Schande. Die öffentliche Zurschaustellung meiner dunkelsten Geheimnisse gab es zum Glück nur in meinem Kopf.

Die Hitze und die Entzugserscheinungen nach Schokolade haben mich kurzzeitig in ein Delirium fallen lassen. Ich wische mir die Halluzinationen zusammen mit den Schweißperlen von der Stirn und erkläre E sowie allen Leuten in der Warteschlange hinter mir, deren ungeduldige Blicke auf mich gerichtet sind, mit bestimmter Stimme:

„Ja, das ist Schokolade. Die brauchen wir, wenn wir das nächste Mal einen Kuchen backen wollen“

Ha! Das klang nach sorgender Mutter, die mit ihren Kindern auch einmal etwas selbst bäckt und nicht nur Fertigware einkauft. Genial! Auch weitestgehend authentisch …. und es erklärt die Großpackung.

Das Ungesagte

Was ich nicht dazu sagte war:

Aber es wird bestimmt nicht mehr DIESE Tafel Schokolade sein, die ihren Weg in den veganen Kuchen findet!

Und die Moral von der Geschicht?

Ich bevorzuge es derzeit nur in Begleitung der kleineren Tochter einkaufen zu gehen, während die größere im Kindergarten ist. Die Kleine kann mich nämlich noch nicht verpetzen, wenn ich Nachschub für Mamas geheimes Schokoladefach kaufe.