Abos können Freude bereiten oder auch zur Last fallen. Es gibt Abos, die sind offenbar unkündbar. Jeder Versuch es zu stornieren scheitert kläglich: Fristversäumnis, Kündigungsschreiben kommen retour, da der Adressat unbekannt, immer wieder automatische Verlängerung bis ans Lebensende.

Oder ist das nur ein Albtraum?


Kurz vor dem Abendessen läutete es an der Tür. Die Mutter öffnete, aber es war niemand zu sehen. Nur ein Paket stand auf dem Boden.

Derjenige, der es hier abgestellt hatte, hatte Spuren hinterlassen, denn die Abkürzung zum Haus führt über die Wiese an der Sandkiste vorbei. Seltsame, ungleiche Abdrücke waren es. Nur ein Fuß war deutlich zu erkennen, der zweite erschien als formloser Fleck, als Klumpen aus nassem Sand.

Die Frau machte ein paar Schritte vor die Türe in den Garten hinaus und schaute sich um. Hier war alles ruhig. Von drinnen hörte man fröhliche Kinderstimmen.

Sie stand ganz alleine im Garten. Sie war müde und noch nicht einmal neugierig, was man ihr diesmal gebracht hatte. Sie hatte nichts bestellt und erwartete auch nichts, aber es gab da dieses unkündbare Abo: Zustellungen ein Leben lang, immer dann, wenn es gerade am wenigsten passte. Eigentlich wollte sie an diesem Abend nur so rasch als möglich ins Bett gehen. Sie zögerte lange, ehe sie das Paket aufhob und es ins Haus trug.

Die ältere Tochter kam neugierig zur Tür und wollte sofort beim Auspacken helfen. Ungeduldig riss das Mädchen den Karton schon im Vorzimmer auf. Nie konnte sie einen Moment warten, nie hörte sie auf das, was man ihr sagte. Immer musste man alles mehrfach wiederholen. Für die Tochter schien alles ein Spiel zu sein. Die Mutter atmete tief ein. „Ruhig bleiben!“ Doch der Ärger fing an, in ihre aufzusteigen. Die Tochter war schon dabei, das Paket auszuräumen. Der Inhalt:

kindlicher Übermut – Größe XXL

ein bereits zerrissenes Nervenkostüm für die Mutter

ein Fortsetzungsroman (mit deutlichen Gebrauchsspuren) über ignorierte elterliche Anweisungen

ein kleines Album zu oft wiederholter, manchmal auch absichtlich verletzender Drohungen als Hörspiel

zwischen den anderen Dingen immer wieder verstreute einzelne Worte, die stumpfen Äxten gleich Kerben in die Seelen von Mutter und Tochter schlugen

eine tiefschwarze Vase voller mütterlicher Verzweiflung

ein bunter Strauß kindlichen Trotzes und hilfloser Sturheit

schlecht verschnürte, unbändige Wut – der Knoten löste sich schon beim Herausheben

ein Doppel-Set Tränen für Mutter und Tochter

Karten für eine Abendvorstellung (backstage) voll bitterer Enttäuschungen und unerträglicher Eskalationen

ein Heftchen abgelaufener Gutscheine für verzweifeltes Bemühen, tiefe Risse zu kitten und den Hausfrieden wieder herzustellen

Nachdem Mutter und Tochter die Kleinode sorgfältig ausgeräumt, jedes einzelne Stück in alle Richtungen verdreht und gewunden hatten, die Scherben des grotesken Inhalts in der ganzen Wohnung verteilt und alle Familienmitglieder in ihren Betten lagen, rollte ein kleines, leeres, kristallenes Fläschchen unter dem Sofa hervor und gegen die offene Wohnzimmertür. Mit der Aufschrift „Nicht öffnen!“ nach oben kam es zu liegen. Mutter und Tochter hatten die handschriftliche Warnung geflissentlich ignoriert. Der Inhalt des Fläschchens, ein einziger, winziger Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hatte, war längst verdunstet.


Ich erwachte, schweißgebadet, mit rasendem Puls. Das Wüten und Toben der Frau, das Weinen des Kindes klang mir noch im Ohr. Ich setzte mich im Bett auf und versuchte klar im Kopf zu werden, zur Ruhe zu kommen. Ich sah mich um. Alle schliefen. Tiefe, ruhige Atemzüge waren zu hören. Ich ließ mich erleichtert auf den Polster zurückfallen:

„Nur ein Albtraum..“

Da hörte ich ein leises Geräusch aus dem Wohnzimmer. Es klang wie das Rollen einer leeren Glasflasche auf dem Parkettboden…